In meinen Innovations-Workshops, die ich mit Kunden durchführe, erlebe ich recht häufig, dass viele Tools zwar bekannt sind, aber nicht wirklich nutzenstiftend verwendet werden. Eines dieser Tools ist das Value Proposition Canvas von Alexander Osterwalder. In diesem Artikel habe ich deshalb einmal für Dich die Funktionsweise des Canvas und seine beiden Bausteine – das Customer Profile und die Value Map – näher beleuchtet.
Aufbau des Value Proposition Canvas

Das Value Proposition Canvas (kurz VPC) ist ein visueller Prototyp, der Dir dabei hilft, Produkte und Services zu designen, die die wichtigsten Kundenbedarfe erfüllen und dadurch eine größere Chance besitzen, von Deinen Kunden tatsächlich angenommen zu werden. Deshalb besteht das Value Proposition Canvas auch aus zwei unterschiedlichen Elementen: Der Value Map und dem Customer Profile.
Die Value Map
Die Value Map visualisiert Dein Produkt oder Deinen Service, mit dem Du auf ein Customer Segment abzielst. Sie erklärt außerdem, wie Nutzen für Deine Kunden entsteht und Schmerzpunkte reduziert werden.
Das Customer Profile
Das Customer Profile steht für die Gruppe potenzieller Kunden, die besondere Bedarfe und Wünsche haben, die Du erfüllen möchtest. Außerdem zeigt sie Probleme auf, die Deine Kunden bei bestimmten Aufgaben haben.
Value Map & Customer Profile
Auch wenn beide Elemente des Value Proposition Canvas zunächst recht unscheinbar daherkommen, musst Du sie bei der Arbeit mit dem Canvas unterschiedlich behandeln. Denn nur auf Deine Value Map hast Du direkten Einfluss. Das Customer Segment existiert so gesehen auch “ohne Dich”. Hier hast Du nur die Möglichkeit, so viel wie möglich über Deine Zielgruppe herauszufinden und im Customer Profile präzise abzubilden. Je besser Dir das gelingt, desto besser kannst Du Deine Value Map daran anpassen.
Während Du Deine Value Map also aktiv designen kannst, geht es beim Customer Profile stets darum, durch Tests und Experimente herauszufinden, was die genauen Bedarfe Deiner Zielgruppe sind.

Erziele Fit
Das Value Proposition Canvas unterstützt Dich dabei, einen sogenannten Fit zwischen Deiner Value Map und Deinem Customer Profile herzustellen. Das bedeutet nicht mehr, als dass Du Deiner Zielgruppe das passende Produkt zur Verfügung stellst. Der große Vorteil des Value Proposition Canvas besteht allerdings darin, dass es Dir als visueller (und vor allem kostengünstiger) Prototyp dient, diesen Zustand herbeizuführen.
So bewahrt Dich das Value Proposition Canvas davor, zu früh Aufwand, Zeit und Geld in die Entwicklung Deines echten Produktes oder Services zu investieren. Vor allem dann, wenn Du zu Beginn nicht genau weißt, ob Du überhaupt das richtige Angebot entwickelst. Der Trick besteht nicht darin, Fehler zu vermeiden, sondern Fehler schnell, so früh wie möglich und kostengünstig zu machen, um aus ihnen zu lernen.
Innovation und neue Geschäftsfelder sind komplex und durch viele Unbekannte bestimmt, die es Dir unmöglich machen, Irrtümer zu vermeiden.
Die Arbeit mit dem Value Proposition Canvas ist deshalb keine einmalige Übung, sondern stiftet Dir nur dann einen wirklichen Nutzen, wenn Du es fortlaufend verfeinerst, erweiterst und veränderst.
Drei Arten von Fit
Der Fit, den Du zwischen Deiner Value Map und Deinem Customer Profile anstrebst, ist nicht gleich unwiderlegbar. Zu diesem Zeitpunkt sieht er erstmal nur auf dem Papier schön aus. Letzten Endes entscheiden Deine Kunden, ob Du wirklichen Nutzen für sie stiftest. Deshalb ist notwendig, so früh wie möglich den Kontakt zu Deinen Kunden zu suchen, um herauszufinden, was sie wirklich bewegt.
Innovative Produkte und Services entstehen nicht im stillen Kämmerlein ohne Kontakt zu Außenwelt.
Problem-Solution Fit

Einen Problem Solution Fit hast Du dann erzielt, wenn Du begründete Erkenntnis darüber erlangt hast, dass es eine Gruppe von Menschen gibt, denen konkrete Aufgaben (Customer Jobs) wichtig sind, um bestimmte Customer Gains zu erreichen. Außerdem hast Du wichtige Probleme und Herausforderungen (Customer Pains) identifiziert, die sie daran hindern, ihre Jobs to Be Done zu erledigen.
In dieser Phase solltest Du viele verschiedene Value Proposition Canvas entwerfen. Weil Du zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht weißt, welche davon funktionieren wird. Deshalb ist es sehr wahrscheinlich, dass Du später vielversprechende Kandidaten verwerfen musst.
Product Market Fit

In der daran anschließenden Phase hast Du bereits herausgefunden, dass Dein Produkt tatsächlich einen Nutzen für Deine Zielgruppe stiftet. Du hast Hypothesen formuliert und durch entsprechende Tests validiert, dass bestimmte Merkmale Deiner Value Proposition funktionieren.
Validation Tests sind umfangreicher, aufwändiger und meistens auch kostspieliger als Discovery Tests. Dafür sind sie aber verlässlicher.
Business Model Fit

Erst in der dritten Phase weißt Du, ob Deine Geschäftsidee tatsächlich funktioniert. Du hast ein profitables Geschäftsmodell entwickelt, das sich im besten Fall auch noch skalieren lässt. Einen Business Model Fit erzielst Du nur dann, wenn Du nicht nur Nutzen für Dein Customer Segment stiftest, sondern auch Nutzen für Deine Organisation erzeugst. (In der Regel durch Gewinn.)
Lebensfähig ist Deine Value Proposition nur, wenn sie für beide Seiten die viel zitierte Win-Win-Situation entstehen lässt. Für diese dritte Phase eignet sich das Business Model Canvas allerdings besser als das Value Proposition Canvas.
Aufbau des Customer Profiles

Das Customer Profile visualisiert, welche Aufgaben Deine Kunden zu erledigen haben, welchen Herausforderungen sie sich dabei gegenübersehen und was sie sich als Ergebnis ihres Tuns wünschen. Alexander Osterwalder nennt das auch Customer Jobs, Customer Pains und Customer Gains. (Manchmal spricht er auch nur von Jobs, Pains & Gains.)
Wichtig für Dein Customer Profile ist, dass es immer das abbildet, was aktuell für Deine Kunden wichtig ist. Es geht nicht um Dinge, die (sehr) weit in der Zukunft liegen, sondern möglichst konkret im Hier & Jetzt verortet sind. Je konkreter und fassbarer Du Customer Jobs, Pains & Gains festhältst, desto besser!
Für einen ersten Start ist es in Ordnung, wenn Du im Customer Profile Deines Value Proposition Canvas zunächst das notierst, von dem Du derzeit glaubst, dass es für Deine Kunden relevant ist. (Sofern Du nur schnellstmöglich daran gehst, diese Vermutungen durch Tests & Experimente zu bestätigen oder zu widerlegen.)
Customer Jobs

Funktionale, soziale & emotionale Customer Jobs
Beachte den Kontext der Customer Jobs
Customer Jobs sind bestenfalls allgemeingültig und zeitlos formuliert. Genau deshalb ist es aber sehr wichtig, dass Du den Kontext kennst, in dem sie stattfinden. Der Job Die Kinder zur Schule bringen hat ganze Bedingungen, wenn Du weißt, dass Deine Zielgruppe alleinerziehend ist und sich kein eignes Auto leisten kann.
Leider ist im Customer Profile des Value Proposition Canvas kein Bereich vorhanden, der es ermöglicht, Kontext-Informationen festzuhalten. Ich empfehlen Dir, wichtige Informationen über die Situation auf einem zusätzlichen PostIt zu notieren.
Customer Pains

Customer Pains vermitteln Dir ein Verständnis darüber, welchen aktuellen Herausforderungen sich Deine Kunden gegenübersehen, wenn sie versuchen, etwas zu erledigen. Genau wie bei den Customer Jobs solltest Du deshalb darauf achten, die Customer Pains Deiner Kunden so konkret und fassbar wie möglich zu formulieren.
Auch bei den Customer Pains ist in Ordnung, wenn Du in Deinem Customer Profile Deines Value Proposition Canvas zunächst nur das festhältst, von dem Du aktuell glaubst, dass es für Deine Zielgruppe relevant ist. (Aber auch hier solltest Du so früh wie möglich Tests & Experimente nutzen, um Deine Hypothesen zu bestätigen oder zu widerlegen.)
Funktionale, soziale & emotionale Customer Pains
Wie Jobs und Gains haben auch Customer Pains eine funktionale, soziale oder emotionale Dimension.
Formuliere Customer Pains messbar
Wann immer möglich, solltest Du Customer Pains messbar formulieren. Wenn Dir Deine Kunden in einem Switch Interview mitteilen, dass sie nicht gerne “lange warten”, solltest Du nachfragen, wie viele Minuten “lange warten” denn genau ist. Denn falls es Deine Kunden ärgert, länger als 10 Minuten zu warten, dann erzeugst Du durch ein Produkt, das die Wartezeit von 15 auf 12 Minuten verringert, wahrscheinlich wenig Nutzen.
Erweitere Deine Perspektive
Fokussiere Dich bei den Customer Pains nicht nur auf Hindernisse und Probleme, die auftauchen, während Dein Kunde einen bestimmten Customer Job erledigen möchte. Denke auch darüber nach, welche Blocker existieren, die einen bestimmten Job komplett verhindern. Darüber hinaus solltest Du in Deinen Kundeninterviews Probleme ermitteln, die erst dann entstehen, wenn ein Job erledigt ist.
Vielleicht existieren sogar Herausforderungen, die sich auf unterstützende Aufgaben beziehen. Es nützt nichts, die perfekte Online-Logistik-App zu entwickeln, wenn Deine Kunden im Lager ihrer Firma eine keine Internetverbindung haben.
Customer Gains

Customer Gains sind der Gradmesser Deiner Kunden, ob ein konkreter Customer Jobs erfolgreich abgeschlossen wurde. Gains stehen also für den Nutzen und die Ergebnisse, die Deine Kunden eigentlich anstreben. Für sie sind konkrete Aufgaben häufig nur Mittel zum Zweck.
Es ist wichtig, dass Du Customer Gains und Customer Jobs nicht verwechselst. (Gleichzeitig ist es in der Praxis manchmal schwierig sie gut voneinander zu unterscheiden oder klar zu trennen.)
Funktionale, soziale & emotionale Customer Gains
Auch Customer Gains können funktionaler, sozialer oder emotionaler Art sein. Deine Kunden können sich beispielsweise wünschen, Termine mobil organisieren zu können (funktional). Sie könnten sich auch darüber freuen (wollen), immer genau passend über wichtige Termine informiert zu werden (emotional). Es kann ihnen auch wichtig sein, dass ihre Ehepartner sie dafür bewundern, dass sie den Hochzeitstag nicht mehr vergessen (sozial).
Soziale und emotionale Customer Gains können für Dich ein guter Ansatz sein, Deine Kunden aus einer neuen Perspektive zu betrachten. Denn so kannst Du Dir die Frage stellen, ob die Customer Jobs auch vollkommen anders erfüllt werden könnten. Der Fokus auf soziale und emotionale Customer Gains kann deshalb ein großer Hebel für Deine Innovationsstrategie sein.
Finde die wichtigsten Jobs, Pains & Gains
Wenn Du in Deinen Kundeninterviews gut gearbeitet hast, solltest Du nun eine Menge Jobs, Pains & Gains in Deinem Customer Profile notiert haben. Allerdings ist auch die beste Value Proposition nicht in der Lage, alles davon zu erfüllen. Glücklicherweise ist das auch gar nicht notwendig. Konzentriere Dich mit Deinem Value Proposition Canvas daher nur auf die wichtigsten Jobs, Pains & Gains Deiner Zielgruppe.
Häufige Fehler im Customer Profile
Einige Fehler im Customer Profile treten immer wieder auf und minimieren die Nützlichkeit Deines Value Proposition Canvas. Hier findest Du eine Übersicht mit den häufigsten Fehlern und einigen Tipps, um ein gutes Customer Profile zu erstellen.
Aufbau der Value Map

Mit der Value Map Deines Value Proposition Canvas visualisierst Du, wie Du Jobs, Pains & Gains Deiner Kunden lösen möchtest. Sie ist ein kostengünstiger und schneller Prototyp für Dich, den Du fortlaufend an neue Erkenntnisse aus Deinen Tests und Experimenten anpasst.
Im Gegensatz zum Customer Profile hast Du auf Deine Value Map direkten Einfluss. Du kannst Deine Value Map also designen und anpassen – je nachdem, was Du über Deine Kunden herausgefunden hast.
Das Designen Deiner Value Map ist kein einmaliger Prozess, sondern muss von Dir fortlaufend durchgeführt werden!
Products & Services

Arten von Products & Services
Products & Services können unterschiedlicher Art sein. Es können physische Produkte sein oder auch immaterielle Güter (zum Beispiel Geistiges Eigentum). Denkbar sind auch digitale Produkte oder Services, Finanzprodukte und dergleichen mehr.
Spiele Möglichkeiten durch!
Wenn wir eine erste Geschäftsidee haben, sind wir in der Regel nur schwer davon abzubringen. Dabei kann schon ein kleine Veränderung Deines Produktes oder Deiner Dienstleistung gravierende Auswirkungen haben. Das bietet Dir kreativen Raum, innovative Ideen zu entwickeln.
Gain Creators

Hilfreiche Fragen zu Gain Creators
Für gute Gain Creators auf Deinem Value Proposition Canvas kannst Du Dir folgende Fragen stellen:
Priorisiere Deine Gain Creators!
Priorisiere die Gain Creator Deiner Value Proposition und finde heraus, welche davon Deinen Kunden besonders wichtig sind. Welche Merkmale Deines Services oder Deines Produktes sind für Deine Kunden essenziell und welche sind lediglich nice-to-have?
Pain Reliever

Hilfreiche Fragen zu Pain Relievers
Um gute Pain Relievers in Deiner Value Map festzuhalten, kannst Du Dir folgende Fragen stellen:
Priorisiere Deine Pain Relievers!
Auch die Pain Reliever solltest Du priorisieren und herausfinden, welche davon Deinen Kunden besonders wichtig sind. Welche Features sind essenziell, da sie die wichtigsten Pains Deiner Kunden eliminieren und welche davon sind eher nice-to-have?
Häufige Fehler in der Value Map
Auch in der Value Map treten – wie im Customer Profile – immer wieder Fehler auf, die den Nutzen des Value Proposition Canvas insgesamt reduzieren. In diesem Abschnitt findest Du eine Übersicht mit den häufigsten Fehlern und einigen Tipps, die Dir helfen sollen, eine gute Value Map zu designen.
Noch Fragen zum Value Proposition Canvas?
Das war’s von meiner Seite zum Thema Value Proposition Canvas. Ich hoffe, Du hast alle Informationen gefunden, nach denen Du gesucht hast und ich konnte Dir ein wenig dabei helfen, bessere Produkte & Services zu designen.
Falls Du trotz allem noch Fragen zum Value Proposition Canvas hast oder meinst, ich habe im Artikel noch etwas vergessen, hinterlasse mir doch einen Kommentar! Ich freue mich auf Dein Feedback und erweitere den Artikel dann gerne.