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Wenn wir von verschieden Teamarten sprechen, meinen wir damit meistens Unterscheidungen wie beispielsweise Projektteams, Bereichsteams, virtuelle Teams oder vielleicht noch agile oder auch Scrum Teams. Das mag in den meisten Fällen auch sinnvoll und richtig sein. Was bei solchen Arten von Teams jedoch häufig nicht als Kategorie genutzt wird, ist das Umfeld, in dem sie arbeiten.

In diesem Artikel möchte ich Dir deshalb die Arten von Teams vorstellen, die Simon Wardley definiert hat: Pioniere, Siedler & Städteplaner. Sie basiert auf der Evolutionsstufe einer Komponente, an dem ein Team arbeitet und ist damit eine logische Schlussfolgerung aus dem Climatic Pattern No single method fits all.

No single team culture fits all

Nach Ansicht von Simon Wardley sollten Komponenten je nach Evolutionsstufe anders entwickelt werden, da sie andere Voraussetzungen haben..

  • Komponenten auf der Wardley Map, die sich auf der Stufe Genesis oder Custom Built befinden, sollten agil entwickelt werden

  • Komponenten, die sich im Übergang von Custom Built zur Phase Product & Services befinden, sollten durch Lean-Methoden entwickelt werden.

  • Diejenigen Komponenten, die sich auf dem Weg zu Commodity befinden (oder es schon sind), sollten optimalerweise ausgelagert oder bestenfalls eingekauft werden.

Arten von Teams nach Simon Wardley

Die Teamarten, die Simon Wardley definiert, folgen genau dieser Dreiteilung von Komponenten.

  • Pioniere entwickeln eine Komponente nach agilen Methoden.

  • Siedler nutzen in erster Linie Lean-Methoden.

  • Städteplaner verwenden Techniken wie Six Sigma.

Pioniere

Pioniere sind in der Lage, unentdecktes Land zu erobern und zu erforschen. Sie experimentieren viel und aufgrund der großen Unsicherheit und Komplexität ihrer Umgebung (Genesis & Custom Built) erliegen sie häufig Irrtümern, aus denen sie dazulernen.

Ihre Entdeckungen sind oft halbgar und für die Praxis kaum tauglich. Trotzdem sind sie die Wegbereiter für die Produkte von Morgen. Pioniere nutzen für ihre Arbeit diverse Innovationsstrategien, weil diese am besten für ihre Arbeit passen. Ihre Experimente und Ideen beruhen häufig auf einem Bauchgefühl. (Oder auch dem festen Glauben daran, dass ihre Idee funktioniert.)

Siedler

Siedler sind so etwas wie die Mittelsmänner oder Brückenbauer zwischen Pionieren und Städteplanern. Sie sind in der Lage, die halbgaren Experimente von Pionieren in etwas zu transformieren, das Nutzen für eine größere Zielgruppe stiftet. Ihr Fokus liegt auf der permanenten Verbesserung einer Komponente.

Damit erhöhen sie das Verständnis von Komponenten auf unserer Wardley Map und verwandeln Prototypen in echte Produkte. Sie pflegen engen Kontakt zu Kunden, um durch deren Feedback Verbesserungen zu erzielen.

Städteplaner

Städteplaner hingegen können existierende Produkte industrialisieren bzw. kommerzialisieren, weil sie ausgezeichnete Prozessoptimierer sind. Ihre Arbeit ist deshalb stark von Metriken bestimmt. Städteplaner finden Wege, Produkte schneller, besser, kleiner, effizienter und wirtschaftlicher herzustellen.

Dadurch erschaffen Städteplaner gleichzeitig diejenigen Strukturen, auf denen Pioniere mit neuen (anderen) Innovationen aufbauen können, weil die Arbeit der Städteplaner dazu führt, dass sich eine Komponente in die Evolutionsstufe Commodity bewegt.

Bilde Teams entsprechend der Evolutionsstufe Deiner Komponente

Simon Wardley überträgt mit seiner Idee von Pionieren, Siedlern und Städteplanern seinen Ansatz, Komponenten je nach Evolutionsstufe anders zu behandeln, auf unterschiedliche Arten von Teams.

Mit einer Wardley Map lassen sich unterschiedliche Komponenten-Zellen (oder Segmente) identifizieren, die sich verschiedenen Teamarten zuordnen lassen.

Denn je nachdem in welcher Phase sich diese Komponenten befinden, benötigen sie andere Arbeitsweisen und eben auch eine andere Arten von Teams mit einer anderen Teamkultur.
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Hast Du schon einmal in einem Team gearbeitet, in dem die Arbeitsweise nicht zu den Umständen passte? Wie sind Deine Erfahrungen?x

Das Pioniere-Siedler-Städteplaner-Modell hilft Dir dabei, zu verstehen, dass es notwendig ist, die Arbeitsweise an einer Komponente (oder einem Segment von Komponenten) mit dem Eintritt in eine neue Evolutionsstufe zu verändern. Oder sogar an ein anderes Team zu übergeben.

Siedler übernehmen Komponenten von Pionieren und Städteplaner übernehmen Komponenten von Siedlern, wenn die Zeit dafür reif ist.

Mit einer Wardley Map, deren Komponenten in der jeweiligen Evolutionsstufe verortet sind, bist Du deshalb in der Lage zu erkennen, ob diese Komponenten „den richtigen“ Teams zugeordnet sind. Du entdeckst außerdem Lücken in Deiner Organisation, wenn Du feststellst, dass Du zwar jede Menge Pioniere hast, aber keine Städteplaner. Vielleicht fehlt Deiner Organisation auch ein Siedler-Team, das in der Lage ist, die Verbindung zwischen Pionieren und Städteplanern herzustellen.

In jedem Fall sind die drei Teamarten von Simon Wardley ein gutes Beispiel dafür, dass es keinen Sinn ergibt, ein Produkt (oder Komponenten eines Produktes) ausschließlich und immer mit Scrum Teams zu entwickeln.

Unterschiede und Parallelen zu anderen Modellen

Die Teamarten von Simon Wardley weisen einige Parallelen, aber auch Unterschiede zu anderen Ansätzen und Modellen auf, auf die ich zum Schluss noch kurz eingehen möchte. (Gerade hinsichtlich der Blue-Ocean-Strategie finde ich das besonders wichtig.)

Exploitation vs. Exploration (z. B. Alex Osterwalder)

Üblicherweise findet lediglich eine Zweiteilung zwischen Innovation (Exploration) auf der einen Seite und Ausbeutung vorhandener Produkte oder Services (Exploitation) auf der anderen Seite statt. Ein Ansatz, den beispielsweise auch Alex Osterwalder und seine Co-Autoren in ihrem Buch The Invincible Company bedienen und auf dem die Portfolio Map basiert.

Wardleys Ansatz, durch Siedler eine Art Transformationsteam zwischen Exploration und Exploitation zu etablieren, könnte vielen Organisationen helfen, eine systemische Lücke zu schließen. Denn ein Team von Siedlern sorgt wahrscheinlich dafür, dass Innovationen den Übergang zum rentablen Produkt besser vollziehen können. Demnach wäre es besser, drei statt zwei Arten von Teams in der eigenen Organisation zu etablieren.

  • Mehr zum Spannungsfeld zwischen Innovation und Optimierung des Tagesgeschäft erfährst Du auch in meinem Beitrag Exploration vs. Exploitation.

3-Horizonte-Modell

Organisationen, die bereits mit dem Denkansatz des 3-Horizonte-Modells vertraut sind, können leicht erkennen, dass Wardleys Ansatz auch damit kompatibel ist. Pioniere arbeiten an Themen, die sich auf Horizont 3 befinden, Siedler an Komponenten aus Horizont 2 und Städteplaner beschäftigen sich ausschließlich mit Horizont 1.

Blue-Ocean-Strategie

Auch zur Blue-Ocean-Strategie von Chan Kim und Renée Mauborgne sind Parallelen zu entdecken. Allerdings musst Du hier aufpassen, weil die Bezeichnungen teilweise gleich, ihre Bedeutungen aber unterschiedlich sind. Kim und Mauborgne nutzen für die Blue-Ocean-Strategie eine sogenannte Pioneer-Migrator-Settler Map (PMS). Im Großen und Ganzen ist diese PSM-Karte nichts anderes als eine Variante des 3-Horizonte-Modells und visualisiert den Zustand einzelner Produkte aus einem Portfolio.

Hier musst Du jedoch aufpassen! Die Settler (also Siedler) aus der Blue-Ocean-Strategie bezeichnet Simon Wardley in seinem Modell als Städteplaner, während das, was Wardley als Siedler bezeichnet, in der Blue-Ocean-Strategie umgekehrt als Migrator definiert ist. (Abgesehen davon, dass Simon Wardley sich auf Menschen bezieht und Kim und Mauborgne auf Produkte.)

Hier das Ganze noch einmal als kompakte Übersicht für Dich:

Blue-Ocean-Strategie Wardley Maps
Pioneers Pioneers
Migrators Settlers
Settlers Townplanners

Fazit zu Wardleys Teamarten

Insgesamt bieten die von Simon Wardley definierten Arten von Teams zumindest eine gute Hilfestellung bei der Zusammenstellung von Teams. Aber auch bei der Auswahl der richtigen Arbeitsweise können Wardley Teamarten helfen. Denn auch wenn es von vielen immer wieder gerne gefordert wird: agile Teams sind nicht für jede Herausforderung die richtige Vorgehensweise.

Was man vielleicht noch einschränkend anmerken sollte, ist, dass Simon Wardleys Teamarten auf sogenannte Komponenten-Teams statt Feature-Teams hinauslaufen oder diese zumindest fördern.