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Im letzten Artikel habe ich Dir gezeigt, wie Du durch das Hinzufügen von Evolutionsstufen zu Deiner Value Chain eine Wardley Map erzeugen kannst, die alle sechs Merkmale von Karten erfüllt. Heute geht es um die Climatic Patterns einer Wardley Map, die Du Dir zu Nutze machen kannst, um noch bessere strategische Entscheidungen zu treffen.

Was sind Climatic Patterns?

Simon Wardley hat sich bei seiner Suche nach Lösungen für strategische Themen unter anderem auch mit dem Buch Die Kunst des Krieges beschäftigt. Daraus entsprang letztlich seine Idee, Landkarten auch für wirtschaftliche Strategie-Entscheidungen nutzbar zu machen – eben genauso wie es das Militär macht. In diesem Zusammenhang stieß Wardley darauf, dass das Klima (oder Wetter) die Landschaft, in der wir uns bewegen, beeinflusst. Eine harmlose Wiese kann sich durch einen heftigen Regenguss in der Nacht vor einer Schlacht in sumpfigen Morast verwandeln. Eine vormals gute Strategie wird dadurch potenziell zu einem bösen Fehler, wenn wir Klimafaktoren nicht be- beziehungsweise mitdenken.

Man mag diese militärischen Vergleiche nun gut finden oder nicht. Fest steht, dass auch die Landschaft, die wir mit einer Wardley Map erstellen, klimatischen Veränderungen und Einflüssen unterliegt. Glücklicherweise folgen diese klimatischen Einflüsse stets den gleichen Prinzipien, weshalb wir gut beraten sind, diese zu kennen.

Denn wenn wir die wetterbedingten Einflüsse auf unsere Landschaft kennen, verschaffen wir uns anderen gegenüber einen Vorteil, da wir antizipieren können, wie unsere Landschaft in Zukunft aussehen wird. Simon Wardley nennt diese immer wiederkehrenden Muster und Prinzipien in einer Wardley Map daher Climatic Patterns.

Climatic Patterns einer Wardley Map

Einige Climatic Patterns einer Wardley Map hast Du in den beiden letzten Artikeln bereits kennengelernt. Nun geht es darum, sie ein wenig zu systematisieren und klarer herauszuarbeiten. Da es insgesamt sehr viele Climatic Patterns gibt, werde ich sie Dir nicht alle gleichzeitig vorstellen, sondern sie in den nächsten Artikel nach und nach erweitern. (Am Ende des Artikels findest Du eine Übersicht, die ich fortlaufend aktualisieren werde und über die Du direkt zu den entsprechenden Beiträgen springen kannst.)

Climatic Pattern: Everything evolves through supply and demand competition

Jede Komponente, die sich auf einer Wardley Map befindet, verbleibt nicht starr auf ihrer jeweiligen Evolutionsstufe, sondern bewegt sich durch den Mechanismus von Angebot und Nachfrage von links nach rechts.

Eine neue Komponente im Evolutionsstadium Genesis bewegt sich also irgendwann in die Phase Custom Built, da wir mehr über sie herausgefunden haben und durch die ihre Nutzung ein besseres Verständnis von ihr entwickeln konnten. Die Eigenschaften der Komponente beginnen, sich zu schärfen und Produktionskosten senken sich. Zeitgleich beginnt eine Standardisierung, sodass die Komponente dann irgendwann nicht mehr als individuelle Sonderanfertigung produziert wird, sondern als Product. Letzten Endes betritt die Komponente die Phase Commodity: Das ehemalige Product ist extrem vereinheitlicht, die beste Herstellungsart ist entdeckt worden und viele neue Produkte bauen auf dieser Komponente auf. Komponenten auf dieser Evolutionsstufe sind für Kunden und Nutzer kaum noch zu unterscheiden – maximal durch einen günstigeren Preis.

Climatic Pattern: No Choice over Evolution (Red Queen Hypothese)

Durch den wirtschaftlichen Wettbewerb der Unternehmen untereinander verändert sich unsere Landschaft kontinuierlich. Unabhängig davon, ob wir auf die Veränderung reagieren oder nicht.

Der evolutionäre Prozess einzelner Komponenten erzeugt das zweite Climatic Pattern auf Wardley Maps. Denn auch wenn sich Komponenten weiterentwickeln, immer weiter verbreiten und besser verstanden werden, bedeutet das ja nicht automatisch, dass wir es sind, die diese Komponenten weiterentwickeln. Simon Wardley bezeichnet dieses Climatic Pattern daher in Anlehnung an Van Valen’s Law die Red Queen Hypothese.

Leigh Van Valen

For an evolutionary system, continuing development is needed just in order to maintain its fitness relative to the systems it is co-evolving with.

Leigh Van Valen, Wikipedia
Red Queen Alice in Wonderland

Hierzulande musst Du so schnell rennen, wie Du kannst,
wenn Du am gleichen Fleck bleiben willst.

Die Rote Königin, Alice hinter den Spiegeln

Climatic Pattern: No single method fits all

Und auch ein drittes Climatic Pattern hast Du im letzten Artikel bereits kennengelernt:

Es gibt keine Methode, die für alle Evolutionsstufen gleichermaßen geeignet ist.

Diejenigen Komponenten, die sich aktuell in der Phase Genesis oder Custom Built befinden, sollten intern agil erforscht werden. Komponenten im mittleren Bereich (Custom Built bzw. Product & Services) sollten durch Lean Methoden produziert werden. Hochentwickelte Komponenten in den rechten Bereichen (Product und Commodity) sollten gekauft, gemietet oder durch Six Sigma gemanagt werden.

Climatic Patterns - No single method fits all

Der Weg zur digitalen Enzyklopädie

Kommen wir zurück zu unserem Enzyklopädie-Beispiel aus dem letzten Artikel und schauen, was wir mit bisher bekannten Climatic Patterns nun alles auf unserer Wardley Map erkennen können. Dazu machen wir einen kleinen Zeitsprung aus 80ern in die 90er.

Neue Komponenten betreten die Wardley Map

In diesem Jahrzehnt etablierte sich die bereits seit 1979 bekannte Compact Disk als digitaler Datenträger. Sie diente zwar immer noch vornehmlich als Medium für Musik, aber mit dem Aufkommen von kompakten Brennern, wurde sie auch als Speichermedium und Träger von Informationen für Heim-PC’s immer beliebter.

Auch der Personal Computer erfreute sich einer immer größeren Beliebtheit. Der Nutzen des Computers wurde immer klarer und definierter, die Leistungsfähigkeit stieg rasant an und die Preise wurden moderater. (Climatic Pattern: „Everything evolves through supply and demand competition“) Beide neuen Komponenten tauchen also links auf unserer Wardley Map auf und das Climatic Pattern führt dazu, dass sie von links nach rechts wandern.

(Sowohl die CD-ROM als auch Papier sind Träger von Informationen, weshalb ich sie in etwa auf gleicher Höhe platziert habe.)

Climatics Patterns - Brockhaus Enzyklopädie

Die Value Chain verändert sich

Dadurch verändert sich die Landschaft nachhaltig, auch wenn wir das selbst nicht wollen oder erkennen. (Climatic Pattern: „No Choice over Evolution“) Papier als Träger für Information und Wissen wird früher oder später ersetzt werden, da digitale Informationsträger viele Vorteile bieten. Wir können beispielsweise Musik oder Videos abspielen, ohne das Medium zu wechseln.

Wir mögen zwar aktuell noch nicht sagen können, wann dies geschehen wird, wohl aber, dass es geschehen wird.

Climatics Patterns - No choice over evolution

Als findiger Produzent einer (gedruckten) Enzyklopädie hätte man also bereits Anfang der 80er darauf kommen können, dass digitale Datenträger in Kombination mit einer immer stärkeren Verbreitung von Personal Computern dazu führen wird, dass sich meine Produktlandschaft verändern wird: Digitale Datenträger nehmen als Medium den Platz von Papier ein, weil sie vielseitiger sind. Das führt zwangsläufig dazu, dass meine aktuelle Value Chain stirbt (gestrichelte Linie) und sich das Produkt, das ich vertreibe, maßgeblich verändert.

Climatic Pattern: Components can co-evolve

Hinzu kommt an dieser Stelle noch ein weiteres Climatic Pattern: Wenn das Medium Papier durch digitale Datenträger abgelöst wird, entwickelt sich auch unsere Komponente Inhalte weiter und wird zu Multimedia Inhalte. Aus einer Enzyklopädie wird eine digitale Enzyklopädie. Wenn sich also Komponenten weiterentwickeln und ihre Eigenschaften ändern, kann es geschehen, dass andere Komponenten sich dadurch ebenfalls weiterentwickeln.

Die Veränderungen durch Digitale Datenträger und Personal Computer können wir nun auf unserer Wardley Map folgendermaßen darstellen:

Climatic Patterns - Components can co-evolve

Wie Du sehen kannst, war der Niedergang großer Enzyklopädien á la Brockhaus im Grunde schon recht früh absehbar. Aber viele Verlage zögerten, sich auf das neue Medium einzulassen. Der Brockhaus etwa erschien erstmals im Jahr 2005 (!) mit der 21. Auflage als digitale Version und da war der Zug im Grunde schon abgefahren, weil noch es noch eine Menge weiterer Veränderungen gab, die Brockhaus schlichtweg „verpennt“ hat.

Wie Trägheit Organisationen töten kann

Das war’s von meiner Seite für den ersten Einstieg in das Thema Climatic Patterns. Ich hoffe, Du hast einen guten ersten Einblick in das erhalten. Im nächsten Artikel – Mit Wardley Maps Inertia sichtbar machen – geht es um das Climatic Pattern Trägheit. Dort zeige ich Dir dann, wie sie zustande kommt und wie sie dazu führt, dass Organisationen das Zeitliche segnen.