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Wie gehen wir mit dem Tagesgeschäft um? Diese Frage stellt sich zwangsläufig jede Organisation, die OKR einführt. Ist das Tagegeschäft nun ein Bestandteil von OKR oder hat es dort nichts verloren? Tatsächlich gehen die Meinungen hierzu stark auseinander. (Man könnte sogar behaupten, dass hier zwei zerstrittene Lager existieren.)

Ich möchte Dir mit diesem Beitrag eine dritte, alternative Perspektive zum Verhältnis zwischen Daily Business und der OKR-Methode anbieten. Denn zum einen hängt die Frage, ob das Tagesgeschäft in ein OKR gehört, stark von der Funktion des Objectives ab. Zum anderen muss das Tagesgeschäft nicht Teil eines Objectives sein, nur damit es ausreichend berücksichtigt wird.

Inhaltsverzeichnis

Was ist überhaupt Tagesgeschäft?

Unter Tagesgeschäft oder Daily Business wird gemeinhin alles bezeichnet, was täglich in einer Organisation passiert. In erster Linie sollen diese Tätigkeiten dafür sorgen, dass eine Organisation erhalten bleibt bzw. profitabel arbeitet. Naturgemäß richtet sich das Tagesgeschäft deshalb auf das Hier & Jetzt. Eng damit im Zusammenhang mit dem Tagesgeschäft stehen daher auch die bekannten Key Performance Indicators (KPI), mit deren Hilfe diese Leistungsfähigkeit einer Organisation gemessen werden kann.

Potenziell steht das Tagesgeschäft immer in einem Spannungsfeld mit Objectives & Key Results (OKR), weil Letztere sich meist auf die Zukunft beziehen.

Um dieses Spannungsfeld besser zu verstehen, möchte ich Dir daher zunächst zwei Erklärungsansätze vorstellen, die hier für mehr Klarheit sorgen. Der erste ist das sogenannte 3-Horizonte-Modell von McKinsey und der zweite die Unterscheidung zwischen Exploration & Exploitation.

Das 3-Horizonte-Modell von McKinsey

Das 3-Horizonte-Modell erblickte erstmals im Buch The Alchemy of Growth von Mehrdad Baghai das Licht der Welt. Es bietet Dir die Möglichkeit, das Spannungsfeld zwischen langfristigen, strategischen Zielen und Deinem Tagesgeschäft fassbar zu machen und besser zu verstehen.

Denn nach dem Modell von McKinsey muss eine Organisation auf allen 3 Horizonten gleichzeitig arbeiten, um überlebensfähig zu bleiben. Hierbei steht der Horizont 1 sinngemäß für das aktuelle Tagesgeschäft, während strategische Ziele, die über OKR abgebildet werden, (meistens) Horizont 2 zuzuordnen sind.

3-Horizonte-Modell von McKinsey

Um überleben zu können, muss eine Organisation also sowohl Wege finden, das Tagesgeschäft in Horizon 1 zu verbessern und zu optimieren als auch gleichzeitig Zeit und Aufwand investieren, um ihre strategische Ziele (in Horizont 2 und 3) zu verfolgen.

Diese Fähigkeit, beides gleichzeitig zu bewerkstelligen, wird auch auch als organisationale Ambidextrie (Beidhändigkeit) bezeichnet, um kenntlich zu machen, dass beide Fähigkeiten wichtig sind und ihren Platz in einem Unternehmen finden müssen.

Exploration vs. Exploitation

Eine weitere Möglichkeit, den Unterschied zwischen Tagesgeschäft und OKR fassbarer zu machen, bietet das Begriffspaar Exploration vs. Exploitation.

  • Exploration meint die Erforschung neuer Wege und Möglichkeiten, innovative Produkte zu entwickeln, um so auch in Zukunft noch zu existieren. Strategische Ziele aus Horizont 2 gehören deshalb zum Bereich Exploration.

  • Exploitation hingegen bedeutet soviel wie Ausbeutung und meint die Optimierung (und den Schutz) des aktuellen Geschäftsmodells eines Unternehmens. Das Tagesgeschäft aus Horizont 1 gehört deshalb zu diesem Bereich.

Das Tagesgeschäft & OKR

Aus den oben genannten Gründen gibt zwei verschiedene Gesichtspunkte, die Du beachten solltest, wenn Du Tagesgeschäft und OKR miteinander in Einklang bringen möchtest.

  • Denn zum einen kannst Du OKR dazu nutzen, das Tagesgeschäft zu optimieren und dadurch die Exploitation-Fähigkeit Deiner Organisation zu verbessern.
  • Zum anderen kannst Du OKR dazu verwenden, strategische Ziele zu verfolgen.

In letzterem Fall gehören Deine Objectives jedoch zur Kategorie Exploration und müssen deshalb von Deiner Organisation mit dem Tagesgeschäft bzw. der Kategorie Exploitation in Einklang gebracht werden.

Mit OKR das Tagesgeschäft optimieren

Der erste Fall ist dabei vielleicht noch die einfachere Herausforderung. Denn hierzu kannst Du ein OKR formulieren, mit dessen Hilfe Du das Tagesgeschäft verbessern möchtest.
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Wie sind Deine Erfahrung mit dieser Art von OKR? Hast Du sie bereits bewusst eingesetzt?x
Alles, was Du dafür tun musst, ist die für Deine Organisation relevanten KPI als Key Result für das Objective zu verwenden.

Hier ein Beispiel für ein Objective, welches das Tagesgeschäft verbessern soll und auf dafür relevante KPI zurückgreift.

  • Wir verbessern unsere Fähigkeit, unseren Nutzern neue Funktionen zu liefern.

  • Die Customer Cycle Time sinkt von 50 auf 10 Tage.
  • Die Zahl zu supportenden Versionen sinkt von 20 auf 5.

  • Die Anzahl gemeldeter Bugs nach einem Release sinkt von 100 auf 10.

Mit OKR das Tagesgeschäft verbessern

Objectives wie das obige Beispiel verwenden wie erwähnt meistens Metriken, die zu den Key Performance Indicators gehören. (Weil diese Metriken ja genau dafür gedacht sind, die Leistungsfähigkeit einer Organisation zu messen.)

Hierbei solltest Du darauf achten, dass das Key Result sowohl einen Start- als auch Zielwert angibt, weil nur so der Fortschritt sichtbar gemacht werden kann.

Evidence-Based Management

Falls Du Dich intensiver mit Metriken beschäftigen möchtest, die auf die Verbesserung des Tagesgeschäfts bzw. die Leistungsfähigkeit Deiner Organisation abzielen, empfehle ich Dir auch einen Blick auf das Framework Evidence-Based Management (EBM).

Dieses Framework ist sowohl mit OKR als auch mit Scrum kompatibel und unterscheidet zwischen vier sogenannten Key Value Areas (KVA). Diese Key Value Areas wiederum beinhalten Metriken für verschiedene Herausforderungen einer Organisation.

Zwei dieser KVA sind für Dich an dieser Stelle besonders interessant: Time to Market und Ability to Innovate.

Denn in beiden KVA findest Du Metriken, mit deren Hilfe sich die Leistungsfähigkeit Deiner Organisation messbar machen lässt.
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Hast Du diese Art von Metriken bereits bewusst als Key Result genutzt? Wie sind Deine Erfahrungen damit?x
Deshalb bieten sie sich auch hervorragend als Key Results für Eure OKR an, wenn es darum geht, das Tagesgeschäft zu optimieren.

  • Erfahre mehr darüber, wie Evidence-Based Management Deine Organisation dabei unterstützen kann, leistungsfähiger und agiler zu werden.

Das Tagesgeschäft im OKR-Planning berücksichtigen

Eine ganz andere Situation tritt ein, wenn Du mit Hilfe von OKR die strategischen Ziele Deiner Organisation vorantreiben möchtest. Denn in diesem Fall entsteht durch das Tagesgeschäft das oben erwähnte Spannungsfeld zwischen Exploration und Exploitation.

Allerdings gibt es einige hilfreiche Tools und Werkzeuge, die Du verwenden kannst, um dieses Spannungsfeld sichtbar zu machen und mit einander in Einklang zu bringen. Hierzu zähen beispielsweise das Ecocycle Planning, OKR-Initiativen, die Team Alignment Map oder auch die Portfolio Map von Alexander Osterwalder.

Ecocycle Planning

Ein hilfreicher Weg, um den Einfluss des Tagesgeschäfts auf Eure geplanten OKR sichtbar zu machen ist das Ecocycle Planning aus den Liberating Structures.

Mit dieser Methode gelingt es Euch während des OKR-Plannings das Tagesgeschäft sichtbar zu machen und einzuschätzen, welche Aktivitäten Euch bei der Erreichung Eurer OKR unterstützen und welche Euch dabei bremsen.

Darüber hinaus könnt Ihr auf diese Weise Armutsfallen & Starrheitsfallen visualisieren und dadurch Exploration und Exploitation miteinander in Einklang bringen.

OKR-Initiativen

Neben dem Ecocycle Planning kann es Euch außerdem helfen, die (höchstwahrscheinlich) notwendigen Aktivitäten, Aufgaben oder Projekte zu erarbeiten, die es braucht, um ein OKR zu erreichen. Statt also der Versuchung zu erliegen, diese To-dos als Key Result festzuhalten, solltest Du besser auf OKR-Initiativen zurückgreifen.

OKR-Initiativen erzeugen den notwendigen Output, der Euch dabei helfen soll, den von Euch gewünschten Outcome (in Form von Key Results) zu erzielen.

Diese OKR-Initiativen könnt Ihr mit Eurem Tagesgeschäft abgleichen, das Ihr über das Ecocycle Planning ermittelt habt, und so besser einschätzen, wie realistisch Eure aktuell geplanten OKR sind.

Team Alignment Map

Den Abgleich von Key Results und geplanten OKR-Initiativen auf der einen und dem Tagesgeschäft auf der anderen Seite könnt Ihr auch mit Hilfe einer leicht abgewandelten Team Alignment Map (TAM) erzielen.

Die TAM hilft Euch dabei, durch das Tagesgeschäft entstehende Herausforderungen als notwendige Ressourcen oder potenzielle Risiken sicht- und vor allem diskutierbar zu machen.

Portfolio Map

Die Portfolio Map von Alexander Osterwalder ist ein weiteres hilfreiches Werkzeug, mit dessen Hilfe es Euch gelingt, einen klareren Blick auf das aktuelle Portfolio Eurer Organisation zu werfen.

Im Gegensatz zum Ecocycle fokussiert sie sich jedoch auf Produkte und nicht auf Aktivitäten oder Tätigkeiten.
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Hast Du die Portfolio Map schon zur Vorbereitung eines OKR-Plannings eingesetzt?x
Sie unterstützt Euch jedoch ebenfalls, Entscheidungen darüber zu treffen, welche Produkte oder Innovationen weiter verfolgt werden sollten und welche nicht.

  • Hier erhältst Du einen Überblick über die Funktionsweise der Portfolio Map.

Fazit

Ich hoffe, ich konnte Dir mit diesem Beitrag das (Spannungs-)Verhältnis zwischen Tagesgeschäft und OKR ein wenig näher bringen und Dir mit dem Ecocycle Planning, OKR-Initiativen, der Team Alignment Map und der Portfolio Map einige Tools an die Hand geben, die Dir dabei helfen werden, beides besser miteinander in Einklang zu bringen.

Falls Du noch offene Fragen, Ideen, Anregungen oder Kritik zu diesem Artikel hast, freue ich mich wie immer auf Dein Feedback in den Kommentaren hier unten auf der Seite!