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Was ist geteilte Führung?

Tatsächlich gibt es viele verschiedene Definitionen von Shared Leadership. Ihnen allen ist jedoch gemeinsam, dass Führungsmacht nicht mehr in einer einzigen Person vereint ist, sondern auf mehrere Personen aufgeteilt wird. Wenn sich beispielsweise zwei Personen gemeinsam eine klassische Führungsposition teilen, können wir deshalb bereits von geteilter Führung sprechen.

In der Regel ist mit Shared Leadership jedoch gemeint, dass die formale oder offizielle Führungskraft einige oder sogar alle Aufgaben an ein Team abgibt und das Team sich selbst führt.

Dabei übernimmt dann jedoch nicht eine einzelne Person die Führung im Team. Vielmehr übernimmt immer diejenige Person oder Rolle die Führung im Team, die in der aktuellen Situation am sinnvollsten ist.

Aus diesem Grund spricht man manchmal auch von kollaborativer Führung.

Der Kreativitätsforscher Olaf-Axel Burow beschreibt diese Art der Selbstführung von Teams auch als Jazzbandmodell der Führung. Mit diesem Vergleich zeichnet Burow ein hilfreiches Bild, um geteilte Führung in einem agilen bzw. Innovationsteam besser zu verstehen.

Das Jazzbandmodell der Führung

Der Kreativitätsforscher Olaf-Axel Burow spricht anstelle von Shared Leadership auch vom Jazzbandmodell der Führung. Mit diesem Vergleich zeichnet Burow ein Bild, das Dir dabei helfen kann, geteilte Führung in einem agilen Team bzw. Innovationsteam besser zu verstehen.

Jedes Mitglied einer Jazzband ist zunächst einmal ein echter Experte an seinem Instrument. Was aber nicht heißt, dass jedes Bandmitglied jedes Instrument spielen kann. Die Band als Ganzes ist jedoch so zusammengestellt, dass sich die Fähigkeiten der Bandmitglieder untereinander optimal ergänzen. Charakteristisch für Jazzbands ist außerdem, dass sie sich während des Spiels gegenseitig ausreichend Raum für Improvisation geben.

Gleichzeitig gibt es aber gemeinsame Orientierungspunkte (Takt, Rhythmus, Tonart etc.), die dafür sorgen, dass das gemeinsame Spiel nicht auseinander fällt.

Diese Eckpunkte können sich zwar im Verlauf einer Improvisation verändern, aber nie alle gleichzeitig.

Eine gut funktionierende Jazzband ist außerdem sehr stark darauf angewiesen, aufeinander zu hören. Denn jeder muss ein Gespür dafür entwickeln, wann und wie sich das gemeinsame Spiel verändert.

Jazzbandmodell der Führung

Falls zum Beispiel einer der Spieler die Tonart wechselt, müssen die anderen darauf reagieren und ihr eigenes Spiel anpassen. Tritt jemand in den Vordergrund, müssen die anderen Spieler zurücktreten. So leistet jedes Bandmitglied einen wertvollen Beitrag dafür, dass durch die gemeinsame Improvisation Neues entstehen kann. Selbst dann, wenn der eigene Beitrag darin besteht, nichts zu tun.

Die Größe einer Jazzband spielt dabei natürlich ebenfalls eine wichtige Rolle. Sie kann nur dann wirklich erfolgreich improvisieren, wenn sie klein genug ist. (Nicht umsonst haben große Orchester einen Dirigenten, der das Ganze zusammenhält.)

Burows Jazzbandmodell der Führung ist damit ein hilfreicher Vergleich, um Shared Leadership in agilen Teams und die Entstehung Kreativer Felder besser zu verstehen.

Vorteile von Shared Leadership

Tatsächlich müssen wir es jedoch nicht bei diesem Vergleich belassen, denn es gibt viele wissenschaftliche Belege, die Burows Jazzbandmodell der Führung empirisch untermauern und viele Vorteile für Teams und Organisationen nachweisen.

Das beginnt bei der Entwicklung individueller Fähigkeiten und endet bei einer höheren Motivation sowie besserer Leistung von Teams, die kollaborative Führung praktizieren.
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Wie sind Deine eigenen Erfahrungen mit geteilter Führung?x
Ich habe Dir deshalb zu den Vorteilen geteilter Führung diverse wissenschaftliche Studien hinzugefügt, an denen Du vor allem zwei Dinge gut erkennen kannst:

Erstens ist die Forschung zu diesem Thema sehr umfangreich und zeigt Dir damit, dass kollaborative Führung bzw. das Jazzbandmodell der Führung kein Klimbim agiler Arbeit ist, sondern auf einer soliden wissenschaftlichen Grundlage fußt. Und zweitens kannst Du an den Veröffentlichungsdaten der Studien leicht erkennen, dass der Forschungszweig dazu sehr aktuell ist und die Ergebnisse oft nur wenige Jahre alt sind.

Entwicklung von Teammitgliedern fördern

Erstens unterstützt geteilte Führung den Aufbau neuer Fähigkeiten bei Teammitgliedern. Das gilt sowohl hinsichtlich fachlichen Know-hows als auch der Fähigkeit selbst zu führen.

Von diesem positiven Einfluss durch Shared Leadership profitieren ganz besonders neue und unterfahrene Teammitglieder, die relevante Skills schnell aufbauen können.

Shared Leadership fördert die Entwicklung von Teammitgliedern

Weniger Abhängigkeiten & geringerer Stress

Wenn Führung auf ein Team übertragen wird, führt das logischerweise auch dazu, dass viele Verantwortlichkeiten nicht mehr bei der formalen Führungskraft liegen. Zum einen ist das Team selbst dadurch weniger von direkten Entscheidungen seiner Führungskraft abhängig und kann deshalb auch schneller und einfacher Entscheidungen selbst herbeiführen. Zum anderen bedeutet das jedoch auch, dass die Führungskraft entlastet wird und dadurch sogar der eigene Stresslevel gesenkt werden kann.

Erhöhte Innovations- & Problemlösungsfähigkeiten

Einer der größten und interessantesten Vorteile durch Shared Leadership ist sicherlich die erhöhte Innovations- & Problemlösungsfähigkeiten agiler Teams.

Dadurch, dass viele oder sogar alle Teammitglieder an Entscheidungsprozessen und Führungsaufgaben beteiligt sind, können verschiedene Perspektiven besser einfließen und Ideen miteinander kombiniert werden.

Im Ergebnis führt das dann zu kreativeren und innovativeren Lösungen für komplexe Herausforderungen.

Shared Leadership verbessert die Innovationsfähigkeit

Schnellere Entscheidungen & bessere Anpassungsfähigkeit

Die erhöhte Innovations- und Problemlösungsfähigkeit äußert sich natürlich auch darin, dass Teams bzw. die ganze Organisation schneller auf Veränderungen reagieren kann. Der Hauptgrund hierfür ist natürlich, dass Herausforderungen und Probleme dort entschieden werden können, wo sie auftreten.

Shared Leadership fördert Teamwork & Zusammenarbeit

Des Weiteren fördert geteilte Führung Offenheit im Team und führt dazu, dass Teammitglieder sich häufiger gegenseitig unterstützen.

Durch Shared Leadership lassen sich deshalb sowohl das Vertrauen untereinander als auch die Teamzusammenarbeit im Allgemeinen positiv beeinflussen.

Zusammenarbeit im Team verbessern

Verbesserte Motivation und bessere Leistung

Nicht zuletzt führt Shared Leadership auch zu einer erhöhten Motivation bei den Mitgliedern solcher Teams. Im Endergebnis bedeutet das natürlich auch, dass Teams, die geteilte Führung praktizieren (dürfen), dadurch ihre Leistung steigern können.

  • Die Zusammenhänge zwischen geteilter Führung und Teamleistung belegt vor allem eine Meta-Studie aus dem Jahr 2014 von Danni Wang, David Waldmann & Zhen Zhang, die insgesamt 42 Studien ausgewertet haben. (Meta-Studien sind wissenschaftlich betrachtet besonders aussagekräftig, weil hier die Ergebnisse aus vorhandenen Einzel-Studien zu einem gemeinsamen Ergebnis zusammengeführt werden.)

Voraussetzungen für Shared Leadership

Shared Leadership erzeugt die oben genannten Vorteile jedoch nicht automatisch. Es existieren einige wichtige Voraussetzungen, die gegeben sein müssen, damit die oben genannten positiven Effekte auch wirklich eintreten, und die ich Dir deshalb nicht vorenthalten möchte.

Die wissenschaftliche Forschung spricht hier übrigens von sogenannten Moderatoren statt von Voraussetzungen. Kurz gesagt sind Moderatoren Einflüsse, die einen Effekt verstärken oder verringern können.

Der Erfolg kollaborativer Führung unterliegt dabei vier unterschiedlichen Einflüssen: Erstens der Art der Aufgaben, zweitens dem Aufbau und der Struktur eines Teams, drittens dem Verhalten der Führungskraft und viertens der Organisation selbst.

Komplexe Wissensarbeit

Die Komplexität von Aufgaben spielt eine wichtige Rolle, ob Shared Leadership tatsächlich die oben genannten positiven Effekte erzeugt. Je einfacher eine Aufgabe wird, desto weniger Effekt erzeugt geteilte Führung. Außerdem treten die Vorteile von Shared Leadership besonders bei wissensintensiven Aufgaben auf. Das heißt, dass bei handwerklichen Aufgaben die Vorteile durch geteilte Führung nahezu verschwinden.

So gesehen profitieren Unternehmen, die umfangreiche Softwareprodukte entwickeln, also deutlich mehr vom Konzept der geteilten Führung als eine kleine Tischlerei, die Esstische produziert.

Komplexität & komplexe Systeme

Interdisziplinäre Teams

Außerdem zeigt die wissenschaftliche Forschung, dass die Vorteile durch Shared Leadership bei interdisziplinären Teams größer sind. Denn erst die Heterogenität der Gruppe sorgt dafür, dass ein komplexes Problem aus verschiedenen Perspektiven beleuchtet (und gelöst) werden kann.

Ausreichend Psychologische Sicherheit

Darüber hinaus ist ein positives Arbeitsklima innerhalb des Teams für den Erfolg von Shared Leadership wichtig. Psychologische Sicherheit ist also nach wie vor eine der wichtigsten Grundvoraussetzungen für erfolgreiche Teamarbeit. In agil arbeitenden Teams ist es deshalb eine der primären Aufgaben des Scrum Masters oder agile Coaches, für Psychologische Sicherheit zu sorgen. Bei klassisch aufgestellten Teams fiele diese Aufgabe natürlich sinngemäß der formalen Führungskraft zu.

Gemeinsame Ziele unterstützen die Vorteile durch Shared Leadership

Auch gemeinsame Ziele sind nachgewiesenermaßen eine wichtige Voraussetzung dafür, dass Shared Leadership seinen positiven Einfluss entfaltet und sich die Leistung von Teams verbessert. Sie geben selbstorganisierten Teams die notwendige Orientierung, die ihnen dabei hilft, die richtigen Entscheidungen selbst treffen zu können.

Unternehmenskultur der gegenseitigen Unterstützung

Interessanterweise haben jedoch nicht nur die Aufgaben, die Struktur der Teams und das Verhalten der Führungskraft einen Einfluss auf die Wirkung von Shared Leadership, sondern auch die Organisation selbst.

So gibt es beispielsweise Belege dafür, dass die in einer Organisation gelebten Werte einen Einfluss auf den Erfolg geteilter Führung haben.

Eine Unternehmenskultur, in der gegenseitige Unterstützung fest verankert ist, trägt demnach dazu bei, dass Shared Leadership positive Effekte erzeugen kann.

Unternehmenskultur der gegenseitigen Unterstützung fördert geteilte Führung

Erfolge entstehen erst langfristig

Die Vorteile durch Shared Leadership entstehen jedoch nicht über Nacht, sondern erst langfristig. Die persönlichen Einstellungen aller Beteiligten und Abläufe müssen sich erst nach und nach in Teams etablieren. Organisationen, die von den Vorzügen geteilter Führung profitieren möchten, benötigen also auf jeden Fall einen langen Atem.

Gefahren für geteilte Führung

Neben den genannten Voraussetzungen, die vorhanden sein müssen, damit Shared Leadership im Team wirklich funktioniert, gibt es auch noch einige Gefahren.
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Seid Ihr im Team schon einmal an geteilter Führung gescheitert? Woran hat das gelegen und was habt Ihr dann unternommen?x
Wenn Du diese nicht im Blick hast, können sie geteilte Führung sehr leicht zum Scheitern bringen.

Die drei wichtigsten Gefahren, denen Du Dir bewusst sein solltest, sind unklare Entscheidungswege, unklare Verantwortlichkeiten und unklare Ziele.

Unklare Entscheidungswege

Eine große Herausforderung für kollaborative Führung innerhalb eines Teams kann dann entstehen, wenn keine klaren Entscheidungswege existieren.

Gerade bei schwierigeren oder unpopulären Entscheidungen ist es wichtig, dass ein Team Wege findet, auch diese zu fällen, um nicht in eine Sackgasse zu geraten.

Der klassische Weg des demokratischen Mehrheitsentscheids ist besonders unpopulären Entscheidungen nicht immer besonders hilfreich.

Unklare Entscheidungswege sind schlecht für Shared Leadership
  • Ein hilfreiche Methode, um gemeinsam besonders schwierige Entscheidungen zu fällen, ist beispielsweise die Konsent-Entscheidung aus der Soziokratie.

  • In meinem Artikel Gemeinsam Regeln für die Teamarbeit aufstellen findest Du weitere Methoden, kollaborativ Entscheidungen zu treffen.

  • Des Weiteren kann es auch sein, dass unklar ist, ob die Entscheidungsmacht überhaupt von der Führungskraft auf ein Team übertragen wurde. In diesem Fall bietet sich eine Runde Delegation Poker an!

Unklare Verantwortlichkeiten

Weitere Probleme können entstehen, wenn die Verantwortlichkeiten innerhalb eines Teams nicht klar geregelt wurden. Der Scrum Guide etabliert genau aus diesem Grund klare Rollen, um Missverständnisse und Konflikte zu vermeiden. Für Teams, die nicht nach Scrum arbeiten gibt es natürlich alternative Möglichkeiten.

  • Eine gute Möglichkeit, um Verantwortlichkeiten zu definieren und das gemeinsame Bewusstsein darüber zu schärfen, ist beispielsweise die RACI-Matrix.

  • Ebenfalls hilfreich kann ein gemeinsamer Teamvertrag sein, um Dos & Don’ts transparent zu machen.

Unklare Ziele

Die Selbstorganisation durch Shared Leadership setzt auch voraus, dass klare Ziele für das Team bestehen.

Auch hier bietet das Scrum Framework mit dem Produktziel und dem Sprintziel Orientierung, wenn im Team Entscheidungen getroffen müssen.

Alternativ können Ziele natürlich auch als OKR formuliert werden.

  • In meiner Rubrik Ziele findest Du noch viele weitere Blogbeiträge, die sich mit diesem Thema intensiv befassen.

Unklare Ziele

Fazit zu Shared Leadership

Ich hoffe, ich konnte Dir mit diesem Beitrag die vielen Vorteile, die geteilte Führung bieten kann, näher bringen und Dir gleichzeitig nützliche Tipps & Denkanstöße liefern, mit deren Hilfe es Dir gelingt, Shared Leadership auch in Deinen Teams fest zu verankern.

Falls Du noch Fragen zum Thema oder Anregungen, Ideen und Kritik zum Artikel hast, freue ich mich wie immer über Dein Feedback in den Kommentaren!