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Die Teamgröße hat einen starken Einfluss auf die Leistung eines Teams, die interne Kommunikation, das kollektive Wissen eines Teams und sogar den gemeinsamen Zusammenhalt. In diesem Blogartikel zeige ich Dir, warum die optimale Größe eines Teams bei ausreichend komplexen Aufgaben bei 5 Teammitgliedern liegt und was Du tun kannst, um kleine Teams in Deiner Organisation so zu fördern, dass große Teams unnötig werden.

Tl;dr

Die optimale Teamgröße liegt bei 5 Teammitgliedern. Teams sollten daher (wann immer möglich) aus 3 bis 5 Mitgliedern bestehen.

Teamgröße beeinflusst Teamleistung

Die ersten wissenschaftlichen Studien zur optimalen Teamgröße stammen bereits aus den 60er und 70er Jahren. Beispielsweise beschäftigten sich die Psychologen Richard Hackman & Neil Vidmar mit diesem Thema. Aber auch Ivan Steiners Forschungen belegen, dass Teams (je nach Aufgabenart) mit 5 Mitgliedern die beste Teamleistung erzeugen.

Hackman & Vidmar

Eine der wohl bekanntesten Studien zur Teamgröße wurde bereits 1970 von Richard Hackman und Neil Vidmar durchgeführt. Sie definierten die optimale Größe eines Teams so, dass dieses nach Ansicht der Teammitglieder weder zu groß noch zu klein war.

Dazu erzeugten sie Teams mit 2 bis 7 Mitgliedern und gaben diesen Teams Aufgaben, die Analyse und (gemeinsame) Entscheidungen notwendig machten. Anschließend mussten die Teammitglieder bewerten, ob das Team ihrer Ansicht nach zu groß oder zu klein für diese Aufgaben gewesen ist.

Nach dieser Studie liegt die optimale Teamgröße bei 4,6 Teammitgliedern. (Weil sich dort beide Linien kreuzen.)

Auch der Psychologe Ivan D. Steiner beschäftigte mit den Zusammenhängen zwischen Teamgröße und Teamleistung.

Er fand heraus, dass die Leistung durch weitere Teammitglieder zwar zunächst ansteigt, dass dieser Effekt aber nur bis etwa 5 Teammitglieder anhält. Geht die Anzahl der Teammitglieder darüber hinaus, beginnt die Produktivität eines Teams aufgrund von Kommunikations- und Koordinationsproblemen wieder zu sinken.

Allerdings hängt dieser Effekt sehr stark davon ab, um welche Art von Aufgaben (additiv, disjunktiv oder konjunktiv) es sich handelt.

Neuere Forschung

Auch wenn die Forschungsergebnisse von Hackman, Veil und Steiner zum Verhältnis von Teamleistung und Teamgröße bereits über 50 Jahre alt sind, belegt auch die neuere Forschung immer wieder, dass die optimale Teamgröße zwischen 4 und 5 Mitgliedern liegt.

Falls Du Dich intensiver mit dem Stand der Forschung auseinandersetzen möchtest, habe ich hier einmal exemplarisch drei aktuelle Studien für Dich verlinkt. (Es gibt natürlich noch viele weitere. Die meisten von ihnen kommen jedoch zu sehr ähnlichen Ergebnissen.)

Teamgröße beeinflusst Kommunikation

Die Größe eines Teams hat wie oben bereits erwähnt, nicht nur einen Einfluss auf die Teamleistung, sondern auch auf die Kommunikation innerhalb des Teams.
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Wie groß ist Dein aktuelles Team und welche Erfahrungen hast Du damit gemacht?x
Besonders bei komplexen Herausforderungen, die durch Unsicherheiten, Veränderungen und Überraschungen gekennzeichnet ist, wird Kommunikation damit zur Hauptschlagader eines Teams.

Leider wird der Bedarf an Kommunikation durch jedes weitere Teammitglied in der Regel systematisch unterschätzt.

Denn die Anzahl der Kommunikationskanäle steigt mit jedem weiteren Teammitglied dramatisch an.

Frederick Brooks

Der Einsatz zusätzlicher Arbeitskräfte bei bereits verzögerten Softwareprojekten verzögert sie nur noch weiter.

Frederick Brooks, Brooks' Law

Brooks’s Law

Tatsächlich gibt es eine einfache Formel, um die Anzahl der Kommunikationskanäle anhand der Teamgröße zu berechnen. Sie lautet:

n*(n-1)/2

Wobei n die Anzahl der Teammitglieder ist.

Und wie Du rechts sehen kannst, haben große Teams deutlich mehr Kommunikationskanäle als kleine Teams!

Nach dieser Formel haben kleine Teams mit 3 Mitgliedern 3 Kommunikationskanäle (3*(3-1)/2). Teams mit 7 Teammitgliedern kommen immerhin schon auf 21 Kommunikationskanäle (7*(7-1)/2). Und ein Team, das aus 11 Teammitgliedern besteht, hat bereits stolze 55! (11*(11-1)/2). Mit 14 Teammitgliedern kommst Du sogar auf insgesamt 91 Kanäle.

Die Teamgröße hat also einen dramatischen Effekt auf die Kommunikation innerhalb des Teams. Wenn wir glauben, durch zusätzliche Teammitglieder an Produktivität zu gewinnen, sitzen wir deshalb einem Irrtum auf. Denn tatsächlich verlieren wir durch den explosionsartigen Anstieg der Kommunikationskanäle an Geschwindigkeit.

Weniger Kommunikation ist besser

Auch Jeff Sutherland, Co-Author des Scrum Frameworks, merkt an, dass es nicht darum gehen kann, möglichst viel Kommunikation zu erzeugen, sondern dass sie auf ein Minimum reduziert werden müsse, weil Kommunikation nicht skaliert.

Das gilt besonders beim Treffen von Entscheidungen, die auf höhere Ebenen delegiert werden müssen und dadurch Verzögerungen erzeugen.

Jeff Bezos

Communication is terrible!

Jeff Bezos, amazon

Teamgröße beeinflusst das kollektive Gedächtnis

Ein weiterer Aspekt, der durch die Teamgröße beeinflusst wird, ist das gemeinsam geteilte Wissen innerhalb des Teams. In der Psychologie wird dieses kollektive Wissen auch als transaktives Gedächtnis (engl. Transactive Memory System, kurz TMS) bezeichnet.

Das transaktive Gedächtnis (TMS)

Das Modell des transaktiven Gedächtnis geht auf den Psychologen Daniel Wegner zurück. Er fand heraus, dass Teams bzw. Gruppen, die sich untereinander gut kennen, andere Mitglieder sozusagen als „lebendigen Gedächtnisspeicher“ nutzen.

In Teams mit einem gut funktionierenden transaktiven Gedächtnis wissen die Teammitglieder beispielsweise, wen sie zu einem Thema ansprechen können, wenn sie eine bestimmte Herausforderung nicht eigenständig lösen können. Aber auch in Meetings erkennen sie unmittelbar, ob sie sich eine bestimmte Information selber merken müssen oder nicht: Weil sie die Spezialgebiete oder Lieblingsthemen der anderen Teammitglieder kennen. Bei einer Information, die zu einem solchen Spezialgebiet gehört, wissen sie deshalb, dass sich das andere Teammitglied diese Information merken wird.

Das transaktive Gedächtnis hilft einem Team deshalb nicht nur beim Abrufen, sondern auch bei der Speicherung und Erzeugung von Wissen und Informationen. Auf diese Weise können sich die einzelnen Teammitglieder einerseits kognitiv entlasten und andererseits können sie notwendige Informationen bei Bedarf jederzeit abrufen.

Sharma & Gosh

Monika Sharma und Anjali Gosh untersuchten im Jahr 2007 den Einfluss des transaktiven Gedächtnisses auf die Teamleistung sowie die Zusammenhänge mit der Teamgröße. Dazu untersuchten sie insgesamt 60 Teams der IT-Branche mit mehr als insgesamt 350 Teammitgliedern.

Auch sie konnten belegen, dass kleine und mittlere Teams eine höhere Teamleistung zeigen und dass das transaktive Gedächtnis bei diesen einen größeren Einfluss auf die Leistung hat als bei großen Teams. (Wobei kleine Teams 3 bis 4 Teammitglieder hatten, mittlere Teams 5 bis 7 und große Teams aus bis zu 14 Mitgliedern bestanden.)

Teamgröße & Transaktives Gedächtnis

Vorteile von kleinen Teams

Wissenschaftlich betrachtet liegen die Vorteile von kleinen Teams also eindeutig auf der Hand. Die Teamgröße beeinflusst Leistung, Kommunikation & das kollektive Gedächtnis eines Teams maßgeblich. (Vorausgesetzt, die zu erledigenden Aufgaben sind ausreichend komplex.)

Darüber hinaus bieten kleine Teams weitere Vorteile wie schnellere und bessere Teamentscheidungen, weniger Teamkonflikte, eine klare Rollenverteilung und einen größeren Zusammenhalt, was sich auch in weniger sozialem Faulenzen äußert.

Alternativen zu großen Teams

Obwohl viele der hier genannten Effekte hinlänglich bekannt sind, kommt es in der Praxis aber immer zu sehr großen Teams. Scheinbar fehlen manchmal die Ideen, die dabei helfen können, die Teamgröße zu reduzieren.

Deshalb habe ich hier noch einmal ein paar Alternativen zusammengestellt, die Dich dabei unterstützen sollen, in Deiner Organisation kleine Teams zu fördern und große Teams wann immer möglich zu vermeiden.
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Kennst Du noch andere hilfreiche Tipps, die ich hier erwähnen sollte?x

Etabliere langlebige Teams

Die erste Möglichkeit, kleinen Teams zu mehr Leistung zu verhelfen (und damit große Teams überflüssig zu machen), ist eine lange Lebensdauer eines Teams.

Langlebige (kleine) Teams können das oben vorgestellte transaktive Gedächtnis entwickeln und werden dadurch leistungsfähiger.

Werden Teams bzw. einzelne Teammitglieder permanent umgruppiert, können sie sich nicht aufeinander einstellen und kennen sich einfach nicht gut genug, um als kollektive Einheit zu agieren.

Senioren auf einer Bank als scherzhaftes Beispiel für ein langlebiges Team

Fördere kollaboratives Arbeiten

Auch mein zweiter Tipp bezieht sich auf das weiter oben vorgestellte transaktive Gedächtnis. Denn der Effekt eines kollektiven Gedächtnisspeichers entsteht natürlich nur dann, wenn die Teammitglieder die Gelegenheit haben, gemeinsam an Themen zu arbeiten und sich dadurch besser kennenzulernen.

Je intensiver ein Team zusammenarbeitet, desto besser wird auch das transaktive Gedächtnis Deiner Teams funktionieren. Hier bietet Kollaboration im Gegensatz zu Kooperation sehr viele Vorteile, genau diesen Effekt zu erzielen.

Löse externe Abhängigkeiten auf

Drittens solltest Du herausfinden, welche externen Abhängigkeiten ein Team davon abhalten, mehr Leistung zu bringen.

Gelingt es Euch, diese Abhängigkeiten aufzulösen, hat dies in der Regel einen viel größeren Effekt als weitere Teammitglieder, die meist alles nur noch schlimmer machen.

Eine gute Methode, um externe Abhängigkeiten eines Teams sichtbar zu machen ist beispielsweise die Team Dependency Spider.

Team Dependency Spider

Skaliere Scrum Teams mit Nexus

Natürlich wird ein Produkt oder ein Projekt nicht immer mit einem einzigen kleinen Team umsetzbar sein. Die Frage ist jedoch, wie sich die Zusammenarbeit von vielen kleinen Teams, die alle am gleichen Produkt arbeiten, in der Praxis gestalten lässt.

Eine besonders charmante Antwort auf diese Frage bietet beispielsweise das Nexus Scrum Framework. Die Grundidee von Nexus ist es, mehrere kleine Teams zu einem Netzwerk zu vereinen. Im Zentrum dieses Nexus sorgt das sogenannte Nexus Integration Team dafür, dass dieses Netzwerk nicht auseinanderfällt. (Die Idee eines solchen Core-Teams hatte übrigens auch schon Richard Hackman!)

Gleichzeitig hilft das Nexus Framework dabei, Kommunikation auf das notwendige Minimum zu beschränken und nicht ausufern zu lassen.

Fazit

Wie Du siehst, hat die Teamgröße einen starken Einfluss auf die verschiedensten Themen wie Teamleistung, Kommunikation, kollektives Gedächtnis, Zusammenhalt etc. Jede Organisation ist daher gut beraten, Strukturen zu schaffen, die das Arbeiten in kleinen Teams ermöglichen. (Sofern die zu erledigenden Aufgaben ausreichend komplex sind.)

Falls Du noch Fragen zum Thema Teamgröße oder Anregungen, Ideen, Kritik & Feedback zu diesem Artikel hast, freue ich mich wie immer über einen Kommentar hier unten auf der Seite!