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Interdisziplinäre Teams (engl. cross-functional) sind ein zentraler Bestandteil agilen Arbeitens. Aber warum ist das eigentlich so? In diesem Beitrag erfährst Du, warum die Herausforderungen der VUCA-Welt, denen sich Organisationen und Unternehmen heute gegenübersehen, interdisziplinäre Teams zwingend notwendig machen. Außerdem lernst Du, welche Vorteile sie Organisationen bieten, worauf Du achten musst, um die gewünschten positiven Effekte auch Wirklichkeit werden zu lassen, und was das Ganze mit Superhelden zu tun hat.

Jeder Superheld hat Schwächen

Egal, welchen Superhelden Du Dir anschaust: Jeder von ihnen hat eine besondere Schwäche, die ihn verwundbar macht. Und im Normalfall ist es sogar so, dass diese Schwäche ein direktes Resultat seiner besonderen Stärke ist.

  • Hulk kann sich in ein riesiges Monster mit übermenschlichen Kräften verwandeln, ist dann jedoch nicht mehr in der Lage, seine Wutausbrüche zu kontrollieren.

  • Iron Man Tony Stark ist ein brillanter Ingenieur und in seinem Kampfanzug kann er es quasi mit jedem beliebigen Gegner aufnehmen. Sein Genie verführt ihn allerdings oft zur Arroganz, wodurch er in schwierige Situationen gerät.

  • Peter Parker, alias Spider-Man, ist zwar dynamisch und schnell. Sein jugendliches Ungestüm bringt ihn jedoch oft in Notlagen.

Selbst der größte Held hat Schwächen

Belbins Teamrollen

Superhelden sind zwar ein fiktives, aber auch sehr anschauliches Beispiel dafür, dass besondere Stärken mit Schwächen einhergehen müssen. Weil Schwächen nur die Kehrseite einer besonderen Stärke sind. Eliminiert man die Schwäche eines Superhelden, beraubt man ihn auch seiner besonderen Stärke.

Dass Schwächen das direkte Resultat aus bestimmten Stärken darstellen, gilt jedoch nicht nur für Comic-Helden, sondern auch für Mitglieder jedes echten Teams. Der Engländer Meredith Belbin hat in seinem Buch Team Roles at Work beispielsweise neun verschiedene Teamrollen definiert, die exakt das widerspiegeln, was ich oben über Superhelden schrieb.

Jede dieser 9 Rollen zeichnet sich durch besondere Stärken aus. Gleichzeitig entstehen durch diese Stärken jedoch auch Schwächen. Das Besondere an Belbins Modell ist, dass er stets von erlaubten Schwächen spricht. Die Stärke des Neuerers ist beispielsweise seine große Kreativität und unorthodoxes Denken. Auf der ständigen Suche nach neuen Erfahrungen und Ideen entgehen ihm jedoch gelegentlich wichtige Details, was zu Flüchtigkeitsfehlern führen kann.

Superhelden bilden interdisziplinäre Teams

Gelegentlich ist der Gegner eines Superhelden so mächtig, dass er nicht im Alleingang besiegt werden kann. Oder der Gegner hat Bündnisse mit anderen Superhelden geschmiedet und unser Held (oder Heldin) ist in der Unterzahl und muss sich ebenfalls Unterstützung suchen.

Das Besondere an diesen Superhelden-Allianzen (wie etwa den Avengers) ist aber, dass hier viele unterschiedliche Superhelden ein gemeinsames Team bilden. Gerade diese Kombination von individuellen Stärken, die (erlaubte) Schwächen anderer Superhelden ausgleichen, macht die besondere Schlagkraft von Superhelden-Teams aus.

Superhelden formen interdisziplinäre Teams

Durch die Unterschiedlichkeit innerhalb solcher Teams entstehen Synergie-Effekte, die nicht auftreten könnten, wenn jeder Superheld eines Teams die gleiche Superkraft (und Schwäche) hätte. Superhelden-Teams sind deshalb ein hervorragendes Beispiel für interdisziplinäre Teams.

Niemand käme auf die Idee, ein Superhelden-Team zu bilden, das aus 3x Spiderman, 4x Black Widow und 2x Thor besteht. (Oder sogar nur 5x Spider Man.) Abgesehen davon, dass jeder Superheld einzigartig ist, würden solche Kombinationen auch gar keinen Sinn ergeben. Denn es reicht aus, jeden Superhelden und – damit jede Superkraft – einmal im Team zu haben.

Warum interdisziplinäre Teams notwendig sind

Reale agile Teams stehen vor den gleichen Herausforderungen wie fiktive Superhelden-Teams. Denn auch sie sind mit Problemen konfrontiert, die ein Mensch alleine nicht lösen kann. Die Hauptgründe hierfür liegen in den vier Faktoren der eingangs erwähnten VUCA-Welt: Volatilität, Ungewissheit, Komplexität und Ambiguität (Mehrdeutigkeit).

Besonders die Komplexität und Mehrdeutigkeit von Herausforderungen bringt es mit sich, dass ein Mensch alleine gar nicht mehr in der Lage ist, diese überhaupt zu verstehen. Das bedeutet, dass erst durch viele verschiedene Perspektiven ein möglichst gutes Bild des zu lösenden Problems entstehen kann.

Gleichzeitig sorgt die hohe Dynamik in den Märkten des 21. Jahrhunderts (Volatilität) dafür, dass Organisationen schnell auf Veränderungen reagieren müssen.

Interne Abhängigkeiten, lange Entscheidungswege und starre Prozesse verhindern jedoch Flexibilität und Geschwindigkeit.

Und auch an dieser Stelle erzeugen interdisziplinäre Teams eine Reihe von Vorteilen, die Organisationen dabei helfen, besser mit einer hohen Marktdynamik umzugehen.

VUCA - Volatility, Uncertainty, Complexity & Ambiguity

Vorteile durch interdisziplinäre Teams

Interdisziplinäre Teams bieten vor allem zwei wichtige Vorteile im Umgang mit VUCA. Erstens fördern sie Selbstorganisation und damit Flexibilität und Geschwindigkeit. Und zweitens bieten sie den notwendigen Nährboden für die Entstehung von Synergie-Effekten.

Interdisziplinäre Teams fördern Selbstorganisation

Selbstorganisation ist eine Schlüsselfähigkeit für den Umgang mit einer hohen Marktdynamik. Wenn Teams autonom arbeiten können, bedeutet das nämlich, dass sie keine (oder nur sehr wenige) Abhängigkeiten zu anderen Teams und Abteilungen haben und Entscheidungen selbst treffen können. (Statt darauf zu warten, dass jemand anderes diese Entscheidungen für sie trifft.) Selbstorganisation bedeutet für Organisationen deshalb vor allem Geschwindigkeit und Flexibilität.

Interdisziplinäre Teams fördern Selbstorganisation, weil dadurch die notwendigen Kompetenzen, um ein komplexes Problem zu lösen, bereits im Team vorhanden sind. Umgekehrt sorgen fehlendes Know-how oder nicht vorhandene Skills dafür, dass Abhängigkeiten entstehen und Selbstorganisation unmöglich wird.

Vielfalt erzeugt Synergie-Effekte

Zweitens begünstigen interdisziplinäre Teams die Entstehung sogenannter Kreativer Felder.

Die große Vielfalt durch unterschiedliche Persönlichkeiten sorgt dafür, dass Synergie-Effekte auftreten, die aus dem Ganzen mehr machen als seine einzelnen Teile.

Für Innovationsteams, die kreative Lösungen für komplexe Probleme entwickeln müssen, ist sind diese Synergie-Effekte natürlich besonders wichtig.

Team Flow

Voraussetzungen für interdisziplinäre Teams

Interdisziplinäre Teams alleine bringen jedoch nicht immer automatisch die gewünschten positiven Effekte mit sich. Damit die oben genannten Synergie-Effekte wirklich auftreten, musst Du deshalb auf einige Dinge achten.

Herausragende Teams besitzen T-Shaped Skills

Dass Superhelden und „echte Menschen“ Schwächen haben dürfen, darf Dich nicht darüber hinwegtäuschen, dass ein interdisziplinäres Team umso leistungsfähiger ist, je breiter es aufgestellt ist. Das heißt, High-PerformanceTeams bestehen nicht ausschließlich aus reinen Spezialisten. Jeder von ihnen besitzt immer auch grundsätzliche Fähigkeiten in allen wichtigen Bereichen, die zur Lösung eines Problems notwendig sind. Trotz aller Besonderheit eines jeden einzelnen Teammitglieds besitzt also jeder immer auch eine gewisse Kenntnis in der Breite.

  • Um diese generalisierten Spezialisten zu umschreiben, spricht man in der Praxis auch häufig von T-Shaped Skills.

Kollaboration ist Pflicht

Zweitens können die Synergie-Effekte durch interdisziplinäre Teams nur dann wirklich entstehen, wenn sie intensiv miteinander arbeiten.

Wenn sich Experten Arbeit untereinander aufteilen und jeder für sich alleine seine eigenen Aufgaben erledigt, entsteht logischerweise kein Austausch untereinander.

  • Damit ein Team also über sich hinauswachsen und innovative Lösungen entwickeln kann, ist es wichtig, dass sie kollaborativ (und nicht kooperativ) miteinander arbeiten.

Kollaboration und kollaboratives Arbeiten

Laterale Führung

Der kontinuierlich wechselnde Kontext durch die VUCA-Welt führt außerdem dazu, dass je nach Situation oft ein anderes Teammitglied zur Führung des Teams geeignet ist. Die Führung in interdisziplinären Teams wechselt deshalb von einem Teammitglied zu einem anderen, wenn es notwendig und sinnvoll ist. Diese Art der lateralen Führung beruht jedoch nicht auf einer formalen Position, sondern auf der gerade notwendig gewordenen Expertise.

Mitglieder in interdisziplinären Teams müssen also sowohl andere führen als auch gleichzeitig erkennen können, wann sie sich führen lassen müssen.

Gemeinsame Vision & Ziele

Unterschiedlichkeit und Vielfalt bedeuten jedoch nicht immer nur Harmonie, sondern können auch für starke Konflikte innerhalb interdisziplinärer Teams sorgen. Zum einen bedeutet das natürlich, dass solche Teams ausgeprägte Kommunikationsfähigkeiten benötigen, um mit der entstehenden Perspektivenvielfalt umzugehen. Zum anderen braucht es deshalb ein einendes Element in Form einer gemeinsam verfolgten Vision, die vom gesamtem Team (trotz aller Unterschiedlichkeit) verfolgt wird.

Fazit

Wie Du siehst, sind interdisziplinäre Teams keine selbstverliebte Spielerei agilen Arbeitens, sondern aufgrund der zu lösenden Herausforderungen zwingend notwendig. Denn nur sie besitzen die notwendigen Eigenschaften und Vorteile, um den Bedingungen der VUCA-Welt sinnvoll zu begegnen. Gleichzeitig solltest Du Dir darüber im Klaren sein, dass gewisse Voraussetzungen gegeben sein müssen, damit diese Vorteile auch wirklich entstehen.

Falls Du noch Fragen, Ideen, Anregungen oder Kritik zu diesem Artikel hast, freue ich mich wie immer auf Dein Feedback in den Kommentaren unten auf dieser Seite!