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In der Regel werden Teams lediglich auf Basis fachlicher oder technischer Fähigkeiten zusammengestellt. Und natürlich sind diese Aspekte wichtig, wenn wir beispielsweise ein interdisziplinäres Team aufstellen möchten. Allerdings spielen die von Meredith Belbin entdeckten 9 Teamrollen oft eine viel größere Rolle, wenn es darum geht, ob aus einem Team ein echtes High-Performance Team wird (oder eben nicht).

Was ist das Besondere an Belbins Teamrollen?

Im Vergleich zu einigen anderen Modellen zeichnen Belbins Teamrollen zwei Besonderheiten aus. Zum einen hängen nach Belbin Stärken und Schwächen direkt zusammen. Und zum anderen sind die Teamrollen nach Belbin keine Persönlichkeitsmerkmale.

Schwächen sind die Kehrseite von Stärken

Meredith Belbin ermittelte für jede der neun Teamrollen sowohl Stärken als auch Schwächen. Das Besondere dabei ist jedoch, dass diese Schwächen stets eine aus den Stärke resultierende bzw. damit einhergehende Schwäche ist. Deswegen spricht Belbin auch durchweg von erlaubten Schwächen.

Die Schwächen einer Teamrolle sind also nichts, was wir irgendwie verbessern oder gar ausmerzen müssten. Vielmehr würden wir jemanden gleichzeitig seiner Stärken berauben, wenn wir das tun würden, weil beides miteinander zusammenhängt. Es geht also nicht darum, Schwächen zu optimieren, sondern sie nur soweit in den Griff zu bekommen, dass sie für den Rest des Teams keine Belastung darstellen.

Oder um es mit Belbins Worten zu sagen:

But my response is that the weakness is the price liable to be paid for a strength, it does not matter at all, for it is a fair trade-off. The only proviso is that the person with that strength develops an appropriate strategy for managing that weakness.

Außerdem können wir die (erlaubte) Schwäche einer bestimmten Teamrolle durch die Stärke einer anderen Teamrolle ausgleichen, indem wir Teams sinnvoll zusammenstellen.

Teamrollen sind keine Persönlichkeitsmerkmale

Die zweite Besonderheit an Belbins Modell ist die Tatsache, dass Teamrollen keine Persönlichkeitsmerkmale sind. Es sind lediglich Rollen, die wir (mal mehr mal weniger gut) ausfüllen.

Laut Belbin sind es meistens zwei Rollen, in denen wir uns besonders wohl fühlen und die wir gut ausfüllen können.

Das bedeutet jedoch auch, dass ein Team nicht immer aus 9 Teammitgliedern bestehen muss, damit alle Rollen vertreten sind. Es bedeutet lediglich, dass nach Möglichkeit alle Rollen im Team vertreten sein sollten. Auf diese Weise sind auch weiterhin Teams möglich, die eine optimale Größe haben.

Die optimale Teamgröße

Die 3 „Teamrollen-Gruppen“

Belbins Teamrollen bestehen nicht nur aus neun unterschiedlichen Rollen. Sie sind darüber hinaus (gleichmäßig) auf drei unterschiedliche „Teamrollen-Gruppen“ aufgeteilt. Belbin unterscheidet dabei zwischen wissensorientierten, kommunikationsorientierten und handlungsorientierten Teamrollen.

Wissensorientierte Teamrollen

Zu den sogenannten wissensorientierten Teamrollen zählen der Neuerer, der Beobachter und der sogenannte Spezialist. Allen drei ist gemeinsam, dass sie im Team eine eher zurückhaltende Rolle einnehmen. Sie sind also nicht so stark in der konkreten Umsetzung von Know-how und sind dabei häufig auf die Unterstützung ihrer Teamkollegen angewiesen.

Neuerer

Neuerer (engl. Plant) zeichnen sich durch eine außerordentlich große Kreativität und unorthodoxes Denken aus. Probleme und Herausforderungen lösen sie meist intuitiv und unkonventionell. Dabei kommen sie oft auf Lösungen, die anderen verborgen bleiben.

Erlaubte Schwäche

Auf der ständigen Suche nach neuen Erfahrungen und Ideen entgehen dieser Teamrolle gelegentlich (wichtige) Details, was deshalb manchmal zu Flüchtigkeitsfehlern führen kann.

Beobachter

Der Beobachter (engl. Monitor Evaluator) ist ein nüchterner und objektiv bewertender Zuschauer und Analyst. Er ist eher introvertiert und ergreift nur selten die Initiative. Dafür zeichnet sich durch ein gutes Urteilsvermögen aus.

Erlaubte Schwäche

Andere für eine bestimmte Position oder Idee zu begeistern, ist nicht so sehr das Metier des Beobachters. Seine Nüchternheit wird gelegentlich auch als Arroganz missverstanden.

Spezialist

Der Spezialist (engl. Specialist) ist die Rolle im Team mit dem größten Fachwissen und sozusagen der Experte zu einem Thema. Er kann am besten einschätzen, ob fachlich relevante Aspekte ausreichend beachtet wurden oder ob Fehler unterlaufen sind.

Erlaubte Schwäche

Spezialisten neigen dazu, die theoretischene Aspekt der Arbeit zu sehr in den Vordergrund zu rücken. Sie zeigen oft nicht genug Handlungsorientierung.

Kommunikationsorientierte Teamrollen

Die Rollen Koordinator, Teamarbeiter und Wegbereiter bilden die Gruppe der kommunikationsorientierten Teamrollen. Sie sorgen dafür, dass Informationen und Know-how möglichst gut im Team verbreitet ist und häufig auch für den notwendigen sozialen Kitt innerhalb eines Teams.

Koordinator

Der Koordinator (engl. Co-ordinator) hat ein gutes Gespür dafür, welches Teammitglied für welche Aufgabe oder Aufgabenteil am besten geeignet ist. Ihm gelingt es, den gesamten Prozess im Auge zu behalten und notfalls Korrekturen vorzunehmen.

Erlaubte Schwäche

Diese Koordination kann von anderen schnell als Manipulation oder Bevormundung empfunden werden. (Ganz besonders dann, wenn der Koordinator eigene Aufgaben delegiert.)

Teamarbeiter

Teamarbeiter (engl. Teamworker) sind so etwas wie das emotionale Zentrum eines Teams. Ihre Rolle sorgt dafür, dass das Team auch in schwierigen Situationen im Gleichgewicht bleibt und glättet die Wogen bei aufkommenden Konflikten.

Erlaubte Schwäche

Gelegentlich kann das Harmoniebedürfnis dieser Teamrolle zu groß sein. Das führt dann dazu, dass Konflikte nicht angesprochen oder kleingeredet werden.

Wegbereiter

Wegbereiter (engl. Resource Investigator) sind stark nach außen gerichtet und schließen leicht neue Kontakte. Diese Kontakte nutzen Wegbereiter, um neue Ideen in Teams zu bringen oder um durch ein gutes Netzwerk Synergieeffekte zu erzeugen.

Erlaubte Schwäche

Durch ihre sehr offene Art sind Wegbereiter oft zu optimistisch und neigen dazu, sich manchmal auch zu lange mit Nebensächlichkeiten zu beschäftigen.

Handlungsorientierte Teamrollen

Die dritte und letzte Gruppe bilden die handlungsorientierten Teamrollen. Hierzu gehören der Macher, der Umsetzer und der Perfektionist. Wenn Du so möchtest, stellen sie so etwas wie den Gegenpart zu den wissensorientierten Teamrollen dar, weil sie das bei diesen Rollen vorhandene Know-how in die Praxis umsetzen.

Macher

Macher (engl. Shaper) sind der Antrieb und Motor eines Teams. Sie erinnern immer wieder an die gesetzten Ziele und sorgen für ausreichenden Fokus. Exakte Vorgaben und ein konkreter Umsetzungsplan sehr für diese Teamrolle sehr wichtig.

Erlaubte Schwäche

Macher geraten durch ihre manchmal recht fordernde und ungeduldige Art schnell in Konflikte mit ihren Teamkollegen, weil dies als Provokation wahrgenommen wird.

Umsetzer

Die große Stärke des Umsetzers (engl. Implementer) ist die Verwirklichung von Konzepten, das Erstellen von Plänen und konvergentes Denken. Umsetzer arbeiten sehr methodisch und systematisch, benötigen jedoch auch klare Strukturen.

Erlaubte Schwäche

Mit unklaren Situationen und Umgebungen kommen Umsetzer eher weniger gut zurecht und sind in neuen Situationen eher unsicher.

Perfektionist

Perfektionisten (engl. Completer Finisher) haben einen sehr hohen Qualitätsanspruch und versuchen stets Fehler zu vermeiden. Ihre große Stärke ist die exakte Überprüfung, denn Perfektionisten haben ein gutes Auge für's Detail.

Erlaubte Schwäche

Kontrolle und Prüfung kann bei Perfektionisten oft auch in Bereichen auftreten, in denen sie in dieser Form gar nicht notwendig sind und somit für unnötige Verzögerungen sorgen.

Rollen im Team ermitteln

Wenn Dir Belbins Teamrollen-Modell gefällt, hast Du Dich vielleicht schon gefragt, wie Du diese Rollen in Deinem Team ermitteln kannst. Im Internet findest Du eine Menge Onlinetests, die meistens jedoch nur vorgeben, auf Belbins (wissenschaftlich fundiertem) Fragebogen zu basieren. (Mal abgesehen davon, dass es illegal ist, den Originaltest kostenlos anzubieten, da er einem Copyright unterliegt.)

Den originalen Test kannst Du nur und ausschließlich auf der offiziellen Webseite von Belbin durchführen. Für eine einzelne Person kostet er umgerechnet ungefähr 65 €.

Allerdings bin ich der Meinung, dass es Dir das Geld auch wert sein sollte, denn dafür erhältst Du auch ein verlässliches Ergebnis, das Dir mehr weiterhilft als die im Netz zu findenden Pseudo-Quizze.
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Hast Du schon einmal den originalen Belbin-Test gemacht? Wie sind Deine Erfahrungen damit?x

Teamrollen & kreative Felder

Belbins Teamrollen weisen eine starke Parallele zum Team-Flow-Modell von Olaf-Axel Burow auf. Denn auch Burow kommt zu dem Schluss, dass kreative Felder und Synergieeffekte nur dann entstehen, wenn in einem Team eine ausreichende Vielfalt bei gleichzeitiger Personenzentrierung vorhanden ist.

Fazit zu Belbins Teamrollen

Belbins Teamrollen stellen Dir ein hilfreiches Werkzeug zur Verfügung, um Teams passend zu organisieren und dabei nicht nur auf technisches und fachliches Know-how zu achten. (Voraussetzung dafür ist natürlich, dass die Ermittlung der Teamrollen auch mit Hilfe des offiziellen Fragebogens erfolgte.)