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Mit Hilfe der Taylorwanne lassen sich die veränderten Marktbedingungen, in denen sich Unternehmen in den letzten Jahrzehnten bewegen mussten, sehr einfach beschreiben. Die Taylorwanne unterscheidet dabei zwischen blauen (komplizierten) und roten (komplexen) Anteilen und teilt die Veränderung der Märkte dabei in drei grobe Phasen:

  • Manufaktur-Zeitalter (rot – enge & lokale Märkte)

  • Taylorismus (blau – weite & globale Märkte)

  • Netzwerk-Ökonomie (rot – enge & globale Märkte)

Aufbau der Taylorwanne

Manufaktur-Zeitalter

Die erste Phase der Taylorwanne ist das Manufaktur-Zeitalter. Dieser Zeitraum erstreckt sich in etwa bis zu Beginn des 20. Jahrhunderts und ist geprägt durch das Fehlen von Standards und etablierten Prozessen. Im Grunde war jeder hergestellte Alltagsgegenstand ein Unikat und die Wertschöpfung entstand direkt durch den Menschen. Wissen wurde vom Meister an seine Schüler weitergeben.

Weil unter anderem auch die Transportkosten oft immens waren, waren Märkte vor allem eng und lokal. Dadurch konnten Konkurrenten einander kaum ausweichen, was Kreativität und dynamisches Vorgehen notwendig machte, um sich zu behaupten.

Taylorismus

Dieser Zustand änderte sich Anfang des 20. Jahrhunderts jedoch dramatisch. Der Amerikaner Frederick Winslow Taylor begründet ein Prinzip der Prozesssteuerung, das es ermöglichte, einen Herstellungsprozess in einzelne Abschnitte und Tätigkeiten aufzugliedern, die so einfach waren, dass für sie keine lange Ausbildung notwendig war. Der Taylorismus war geboren. Einer der ersten, der dieses Prinzip aufgriff, war Henry Ford. Ab 1908 nutzte er es für die Fließproduktion von Autos.

Durch Taylors Prinzip wurden urplötzlich Standard-Produkte möglich, die alle gleich waren und vor allem kostengünstig hergestellt werden konnten.

Gleichzeitig konnte durch die einfachen (und stupiden) Prozessschritte eine Heerschar ungebildeter Arbeiter in die Fertigung von Produkten integriert werden.

Darüber hinaus konnte durch den Taylorismus Denken und Arbeiten voneinander getrennt werden. Während Fabrikarbeiter stupide Tätigkeiten ausführten, kam es den Managern zu, Produkte zu entwickeln und die Arbeitsprozesse immer weiter zu optimieren.

Durch die neu gewonnene Mobilität (Eisenbahnen, Verkehrsinfrastruktur, Autos) sanken Transportkosten und die ehemals engen, lokalen Märkte wurden weit und global.

Die vorherige Dynamik und Komplexität des Manufaktur-Zeitalters verschwindet und die Taylorwanne füllt sich deshalb blauen Anteilen. Im Grunde ist für jeden Wettbewerber ausreichend Platz, solange es ihm gelingt, Herstellungsprozesse effizient zu gestalten und dadurch den Preis für Produkte immer weiter nach unten zu treiben.

VUCA-Welt

Auch der größte globale Markt ist jedoch irgendwann erschlossen. Mit Beginn des 21. Jahrhunderts schließt sich die Taylorwanne wieder, wodurch die Dynamik für Unternehmen wieder dramatisch zunimmt. Ein Phänomen, das auch unter dem Begriff VUCA-Welt bekannt ist.

Beispielsweise sind die neuen Märkte von starken Schwankung und Veränderungen gekennzeichnet. Die Digitalisierung führt dazu, dass die Herstellung von Produkten nicht mehr so einfach in kleine Schritte zergliedert werden kann. Komplexität und Ungewissheit steigen dramatisch an. Die ersten Firmen, die das zu spüren bekommen, sind Softwareunternehmen. Sie entwickeln neue agile Methoden wie beispielsweise Scrum oder Kanban, um der Situation Herr zu werden.

Der ehemalige Effizienzdruck des Industriezeitalters wird abgelöst durch einen hohen Innovationsdruck, der es notwendig macht, vor allem das eigene Geschäftsmodell permanent zu hinterfragen und zu innovieren.

Rote vs. blaue Welt

Die Taylorwanne unterscheidet zwischen sogenannten blauen und roten Anteilen. Manchmal werden dabei die blauen Anteile auch als kausal bezeichnet, während Rot für komplexe Anteile stehen soll. Ich halte das für verwirrend, weil auch die roten Anteile eines Marktes kausal sind.

Der Unterschied liegt vielmehr darin, dass die Kausalität in blauen Märkten leicht durch eine vorherige Analyse erkannt werden kann, weil sie nur kompliziert sind. Rote Marktbedingungen sind zwar auch kausal, allerdings ist die Ursache-Wirkungs-Beziehung verdeckt und unklar. Dadurch funktionieren Analysen nicht mehr und wir sind vielmehr auf ein agiles Vorgehen mit schnellen Experimenten angewiesen.

Blaue Welt Rote Welt
Komplizierte Umgebungen Komplexe Umgebungen
Leicht erkennbare Kausalität Verdeckte Kausalität
Analysen Experimente
Hohe Effizienzdruck Hohe Innovationsdruck
Arbeiten und Denken sind voneinander trennbar Arbeiten und Denken sind miteinander verwoben (Wissensarbeit)
Ein Mensch führt einzelne Arbeitsschritte durch Teamwork muss komplexe Probleme lösen