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Im Kontext des agilen Arbeitens ist der Begriff Cargo-Kult eine beliebte Metapher für eine misslungene, agile Transformation geworden. Aber was ist damit eigentlich genau gemeint? Und woher kommt der Begriff überhaupt ursprünglich?

Ursprung des Begriffes Cargo-Kult

Der Begriff Cargo-Kult hat seinen Ursprung in die Kolonialisierung und Missionierung Melanesiens durch die Europäer. Während bzw. durch die Kolonialisierung brachten diese (vermeintlich) wundertätiges Frachtgut (Cargo) in die zuvor isoliert lebenden melanesische Kultur ein. Während des zweiten Weltkriegs verbreitete sich dann das Phänomen des Cargo-Kults sogar in ganz Neuguinea.

Zunächst hielten die Melanesier die Europäer für „die Ahnen“ selbst. Jedoch erkannten sie, dass auch die Europäer ganz normale Menschen sind. (Nur eben viel reicher.) Deshalb schlussfolgerten sie (fälschlicherweise), dass die Europäer die mitgebrachten Güter und Gegenstände (Cargo) von den Ahnen gestohlen haben und diese sich irgendwann dafür rächen würden.

Cargo-Kult Beispiel

Dabei würden die Ahnen dann den Cargo (Feuerwaffen, Autos, Flugzeuge etc.) an die Melanesier als rechtmäßige Besitzer übergeben. Um dieses Ereignis vorzubereiten, begannen die Melanesier deshalb damit, von den Kolonialherren errichtete Häfen, Flugplätze. Flugzeuge oder auch Funkmasten mit den ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln nachzubauen. Sie bauten also Flughäfen, Flugzeuge und dergleichen aus Stroh, Holz und anderen Naturmaterialien.

Cargo-Kult als Metapher im agilen Kontext

Viele Organisationen führen Agile Frameworks oder Methoden ähnlich wie die Melanesier ein: ohne diese Methoden und ihre Funktionsweise wirklich verstanden zu haben. So kommt es dazu, dass zwar alle Elemente (beispielsweise Scrum Rollen, Events & Artefakte) vorhanden sind, aber nicht so genutzt werden (können), wie sie gedacht sind.

Der Cargo-Kult besteht deshalb darin, dass zwar alles „irgendwie da ist“, jedoch nichts so funktionieren kann wie erwartet bzw. gedacht.

Beispiele für Cargo-Kult-Symptome bei einer Scrum-Einführung

  • Der vorherige Projektmanager wird zum Product Owner oder Scrum Master umdeklariert, aber arbeitet genauso weiter wie bisher.

  • Das Product Backlog existiert zwar, aber Arbeit fließt über viele weitere Kanäle in das Scrum Team.

  • Das Scrum Team ist nicht so zusammengestellt, dass es selbstorganisiert arbeiten kann. (Noch ist das von irgendwem gewünscht.)

  • Beim Daily Scrum lässt sich der Abteilungsleiter über den Stand der Arbeit informieren und gibt danach Anweisungen, was als Nächstes zu erledigen ist.

Neben dem Begriff Cargo-Kult wird übrigens auch gerne von Zombie-Scrum gesprochen, wenn agile Coaches über Probleme und Dysfunktionen bei der Anwendung von Scrum sprechen.

Doing agile vs. being agile

Eng im Zusammenhang mit dem Begriff Cargo-Kult (oder Zombie-Scrum) steht auch die Unterscheidung Doing agile vs. being agile. Auch mit diesen Begriffspaaren versucht man zu unterscheiden, ob agile Methoden, Techniken und Vorgehensweisen wirklich durchdrungen und verstanden wurden (being agile) oder ob diese lediglich sinnfrei und unreflektiert ins Unternehmen gekippt wurden.

Auch der (meiner Ansicht nach problematische) Begriff des agilen Mindsets steht in einem engen Bezug zum Cargo-Kult. Es ist denkbar, agile Frameworks wie Scrum in einer Organisation einzuführen, ohne ihre Funktionsweise verstanden zu haben. Oder ihre Funktionsweise zwar verstanden zu haben, sie aber bewusst auszuhöhlen.