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Eine gute Teamkultur wird von vielen (wenn nicht sogar den meisten) Menschen als die wichtigste Grundlage für erfolgreiche Teamarbeit betrachtet. Gleichzeitig lässt sich dieses Thema jedoch extrem schwierig besprechen, weil es eines dieser berühmten „weichen Themen“ ist. In diesem Artikel habe ich deshalb einmal einige Modelle über Teamkultur für Dich zusammengestellt, die Dir dabei helfen sollen, gemeinsam mit Deinem eigenen Team besser über dieses Thema sprechen zu können.

Teamkultur nach Paul Watzlawick

Das wohl bekannteste Modell zur Teamkultur stammt vom Kommunikationswissenschaftler Paul Watzlawick.

Nach Watzlawick basiert Teamkultur im Grunde auf dem 2. Kommunikations-Axiom:

Jede Kommunikation hat einen Inhalts- und einen Beziehungsaspekt.

Demnach kann sich ein Team einerseits an Inhalten bzw. an der Sache orientieren und andererseits an zwischenmenschlichen Aspekten. Legt man diese beiden Dimensionen übereinander, ergeben sich insgesamt vier verschiedene Teamkulturen.

Low-Performance Team

In Low-Performance Teams spielen weder die Inhalte und Aufgaben des Teams noch die Beziehungen untereinander eine besondere Rolle. Diese Teams dümpeln vor sich hin und entwickeln von sich aus keinerlei Eigenimpulse, um sich weiterzuentwickeln oder besser zu werden.

Zweckgemeinschaft

In der Zweckgemeinschaft stehen in erster Linie die zu erledigenden Aufgaben im Vordergrund, während die Beziehungen zu anderen Teammitgliedern von geringer Bedeutung sind.

Im Grunde ist es bei Zweckgemeinschaften nicht wirklich sinnvoll von Teamkultur zu sprechen, weil es sich gar nicht um ein echtes Team handelt. Vielmehr stellen Zweckgemeinschaften Arbeitsgruppen dar, bei denen die zu erledigende Arbeit aufgeteilt wird und jedes Mitglied seine ToDo’s individuell erledigt. Zweckgemeinschaften bevorzugen deshalb häufig Kooperation statt Kollaboration, weil Kooperation dabei hilft, Überschneidungen und den Austausch mit anderen Teammitgliedern zu minimieren.

  • Für die erfolgreiche Lösung komplexer Herausforderungen sind Zweckgemeinschaften allerdings extrem ungeeignet, weil die Aufgaben in der Regel gar nicht sinnvoll aufgeteilt werden können, um sie individuell zu bearbeiten.

Kuschelteam

In Kuschelteams stehen – wie der Name bereits impliziert – die zwischenmenschlichen Beziehungen im Vordergrund. Die eigentliche Arbeit bzw. Leistung des Teams spielt in dieser Teamkultur eine untergeordnete Rolle. Das führt dazu, dass potenzielle Probleme oder schlechte Leistungen nicht an- bzw. besprochen werden, um die Harmonie im Team nicht zu stören.

Diese Teamkultur ist deshalb so gefährlich, weil sie dazu führt, dass sich ein Team hauptsächlich in der eigenen Komfortzone aufhält: Eigentlich könnte es besser sein und mehr Leistung erbringen, es entwickelt jedoch keinen Eigenantrieb, sich zu verbessern.
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Hast Du schon einmal in oder mit einem Kuschelteam gearbeitet? Wie waren Deine Erfahrungen mit dieser Teamkultur?x

High-Performance Team

High-Performance Teams haben sowohl eine hohe Leistungs- als auch Beziehungsorientierung. Deshalb bevorzugen sie zur Lösung ihrer Herausforderungen und Aufgaben kollaboratives Arbeiten. Durch den regelmäßigen Austausch untereinander sind sie in der Lage Synergieeffekte zu erzeugen.

Allerdings ist eine hohe Leistungs- und Beziehungsorientierung oft nur die halbe Miete. Häufig existieren diverse externe Abhängigkeiten, die ein Team daran hindern, eine gute Leistung zu erbringen. Selbst dann, wenn die Teamkultur stimmt.

Teamkultur nach Amy Edmondson

Auch Amy Edmondson hat sich intensiv mit dem Thema Teamkultur beschäftigt.

Interessanterweise hat ihr Modell sehr viel Ähnlichkeit mit dem von Watzlawick.

Auch wenn Edmondsons Dimensionen Psychologische Sicherheit und hohe Standards sicherlich nicht komplett deckungsgleich mit den Dimensionen Beziehungsorientierung und Sachorientierung sind, überschneiden sie sich zumindest sehr stark.

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Nach Edmondson entsteht eine Teamkultur des Lernens und Verbesserns (Hochleistungs-Lern-Zone) nur dann, wenn sowohl eine hohe Psychologische Sicherheit als auch hohe Standards in einem Team herrschen. Beides ist jedoch nur dann möglich, wenn es einem Team gelingt, eine offene und positive Fehlerkultur zu entwickeln

Niedrige Standards Hohe Standards
Hohe Psychologische Sicherheit Komfort-Zone Hochleistungs-Lern-Zone
Niedrige Psychologische Sicherheit Apathie-Zone Angst-Zone

Ebenen der Teamkultur nach Edgar Schein

Ein weiteres Modell, mit dem sich Teamkultur beschreiben lässt, ist das Kulturebenen-Modell des Organisationsentwicklers Edgar Schein. Dieses Modell ist zwar eigentlich dafür gedacht, eine Unternehmens- bzw. Organisationskultur fassbar zu machen, lässt sich meiner Ansicht nach jedoch auch problemlos auf Teamkultur übertragen.

Schein unterscheidet drei verschiedene Ebenen der Kultur.

  • Die oberste Ebene ist die Ebene der sichtbaren Artefakte.

  • Die zweite Ebene ist die Ebene der Werte & Überzeugungen.

  • Die dritte Ebene ist die Ebene der gemeinsam geteilten Grundannahmen.

Wenn wir also von Teamkultur sprechen, reden wir häufig über Dinge, die sich auf unterschiedlichen Ebenen befinden und deshalb mal mehr und mal weniger greifbar oder konkret sind.

Sichtbare Artefakte

Die sichtbare Ebene der Teamkultur können wir sehr einfach wahrnehmen. Schein spricht dabei auch von Artefakten, Erzeugnissen oder Ritualen, die ein Team praktiziert. Bei einem Scrum Team gehören beispielsweise Elemente wie das Sprint Backlog oder die gemeinsam durchgeführten Scrum Events zu dieser Ebene. Aber auch solche Dinge wie „Wie sind die Tische im Meetingraum aufgestellt?“ oder „Wie ist der Redenteil der Teammitglieder während der Retrospektive?“ gehören zu dieser Kulturebene.

So gesehen ist die Kultur eines Teams sehr leicht zu erfassen. Allerdings bieten diese sichtbaren Artefakte und Elemente einen enormen Interpretationsspielraum. Und nur weil sie „irgendwie da sind“, heißt das nicht, dass ein Team auch eine gute Teamkultur entwickelt hat.

Werte & Überzeugungen

Die gemeinsamen Werte und Überzeugungen geben Aufschluss darüber, warum es bestimmte Artefakte auf der sichtbaren Ebene der Teamkultur gibt und welchen Zweck sie erfüllen sollen. Ein gutes Beispiel hierfür sind die 5 Scrum Werte Commitment, Fokus, Offenheit, Respekt und Mut. Wenn Du den Scrum Guide aufmerksam liest, kannst Du auf der sichtbaren Ebene der Artefakte viele konkrete Elemente entdecken (Scrum Artefakte, Scrum Events, Scrum Rollen etc.), die dabei helfen sollen die Scrum Werte zu verwirklichen.

Existieren diese Werte oder Normen auf der zweiten Ebene der Teamkultur nicht (oder sind widersprüchlich), dann sind die Artefakte auf der sichtbaren Ebene ausgehöhlt und inhaltsleer. Ein Phänomen, das auch als Cargo-Kult oder Zombie Scrum bekannt ist.

Werte, Überzeugungen, Normen oder Standards werden in einem Team häufig nicht direkt thematisiert, sondern nur dann, wenn es allen notwendig erscheint. (Prinzipiell ist es jedoch möglich.)

Gemeinsam geteilte Grundannahmen

Noch tiefer verwurzelt sind die gemeinsam geteilten Grundannahmen in einem Team. Es sind die unausgesprochenen Ansichten eines Teams (oder einer ganzen Organisation) darüber, wie Arbeit, Menschen oder „die Welt“ funktioniert. Ein gutes Beispiel hierfür ist etwa die X-Y-Theorie.

  • Nach Theorie X sind Menschen grundsätzlich faul und unwillig.

  • Nach Theorie Y sind Menschen engagiert, lernwillig und können sich selbst motivieren.

Die dritte Kulturebene ist allerdings so tief verankert, dass sie nicht wirklich wahrgenommen werden (kann) und deshalb von einem Team nicht hinterfragbar sind. Wir bemerken unsere gemeinsamen Grundansichten schlichtweg nicht und haben einen blinden Fleck, was sie betrifft.

Erlebbar werden diese Grundansichten erst, wenn wir im Austausch mit Menschen stehen, die diese Grundannahmen nicht teilen und uns eine alternative Perspektive bieten.

Die Ebenen der Teamkultur beeinflussen sich gegenseitig

Die wichtigste Botschaft von Edgar Scheins Modell der Kulturebenen ist jedoch, dass sie sich untereinander beeinflussen.

Werte und Überzeugungen lassen sich nach dieser Sichtweise also durch die Anwendung neuer bzw. anderer Artefakte in der Teamkultur verankern. Ein Scrum Team kann demnach die Scrum Werte verinnerlichen, indem es lernt, die Events, Rollen und Artefakte von Scrum so anzuwenden, wie der Scrum Guide sie intendiert.

Umgekehrt können existierende (widersprüchliche) Überzeugungen und Werte dazu führen, dass die Artefakte der sichtbaren Kulturebene nicht richtig angewendet und in ihrem Sinn ausgehöhlt werden.

  • Wenn Du Dich intensiver mit Edgar Scheins Modell auseinandersetzen möchtest, empfehle ich Dir einen Blick in sein Buch Organisationskultur und Leadership. Hier wird das Kulturebenen-Modell ausführlich dargestellt und erklärt.

Weitere Modelle zur Teamkultur

Neben diesen hier vorgestellten Modellen existieren natürlich noch viele weitere Theorien über Teamkultur. Einige der interessantesten möchte ich hier zumindest kurz erwähnen.
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Kennst Du noch weitere hilfreiche Modell zum Thema Teamkultur, die ich hier erwähnen sollte?x

Teamarten nach Simon Wardley

Simon Wardley hat eine Unterscheidung von Teamkulturen entwickelt, die sich an der Umgebung bzw. den Aufgaben eines Teams orientiert. Seiner Ansicht nach ist benötigt beispielsweise ein Team, das ein vollkommen neues Produkt entwickelt und mit viel Komplexität konfrontiert ist, eine ganz andere Kultur als ein Team, das ein sehr etabliertes und gut verstandenes Produkt entwickelt.

Fazit zur Teamkultur

Ich hoffe, ich konnte Dir mit den hier vorgestellten Modellen dabei helfen, das Thema Teamkultur für Dich und Dein Team ein klein wenig handhabbarer zu machen. Mit ihnen sollte es Euch gelingen, in Eurem Team zu einem gemeinsamen Verständnis zu gelangen, was für Euch eine gute Teamkultur ist. Das sollte – bei aller Wichtigkeit des Themas – für Euch immer im Vordergrund stehen.