Die Zusammenstellung eines interdisziplinären Teams ist nur der erste Schritt in die richtige Richtung. Damit ein solches Team wirklich leistungsfähig wird, müssen die Teammitglieder T-Shaped Skills entwickeln. Was hinter diesem Begriff genau steckt, welche Vorteile Ihr dadurch erzielen könnt und wie Ihr T-Shaped Skills fördern könnt, erfährst Du in diesem Artikel.
Was bedeutet T-Shaped Skills?
Der Begriff T-Shaped Skills basiert auf der Unterscheidung zwischen Generalisten und Spezialisten. Eine Person besitzt dann T-Shaped Skills, wenn sie beide Eigenschaften in sich vereint hat.
Generalisten vs. Spezialisten
Im Grunde ist die Unterscheidung zwischen Generalisten und Spezialisten ziemlich einfach. Während Generalisten ein breites, aber wenig tiefes Wissen in verschiedenen Bereichen besitzen, ist es bei Spezialisten genau umgekehrt. Sie besitzen tiefes Know-how in einem einzigen, speziellen Aufgabenbereich, jedoch wenig (oder gar kein) Wissen in anderen Bereichen.
Generalisten
Generalisten zeichnen sich dadurch aus, dass sie ein sehr breites Wissen haben und sich in vielen unterschiedlichen Bereichen auskennen.
Sie bringen einen guten Gesamtüberblick in ein Team ein und sind deshalb auch besonders gut darin, Abhängigkeiten zu erkennen.
Allerdings kennen sie sich in keinem dieser Bereiche besonders gut aus und kratzen in vielen Wissensfeldern lediglich an der Oberfläche. Experten-Aufgaben können sie deshalb in der Regel nicht lösen.
Spezialisten
Spezialisten hingegen besitzen in einem einzigen Bereich besonders tiefes Wissen und kennen sich dort hervorragend aus.
Im Gegensatz zu Generalisten sind sie in der Lage, Probleme zu lösen, für die wir einen Experten benötigen.
Allerdings kommt ein Spezialist alleine nicht mehr weiter, wenn eine Aufgabe oder ein Problem Abhängigkeiten zu anderen Wissensbereichen aufweist, da ihm das Know-how dazu fehlt.
Er ist dann auf die Hilfe von anderen Spezialisten angewiesen, um das Problem zu lösen.
Generalisierte Spezialisten (T-Shape)
Generalisierte Spezialisten vereinen beide Fähigkeiten, sodass wir von T-Shaped Skills sprechen. Sie besitzen also in einer speziellen Domäne besonders tiefgehendes Wissen und sind in diesem Bereich Experte.
Darüber hinaus verfügen sie jedoch in vielen anderen, verwandten Wissensbereichen über grundlegendes Know-how, um Probleme und Herausforderungen aus einer breiten Perspektive heraus zu beleuchten und zu bewerten.
Warum diese Fähigkeit für Innovationsteams besonders wertvoll ist, zeige ich Dir im weiteren Verlauf dieses Artikels.
T-Shaped Skills bedeutet nicht, dass jeder alles kann
Ein T-Shaped Skill bedeutet jedoch nicht, dass ein einziges Teammitglied alles kann.
Angesichts der möglichen Wissensfelder bei komplexen Herausforderungen ist das auch schlichtweg unmöglich. (Und genau der Grund aus dem interdisziplinäre Teams gebildet werden.)
Herausragende Teammitglieder erreichen allerhöchstens einen Zustand, der gelegentlich als Icicle-Shape bezeichnet wird:
Mehrere Spezialisierungen erzeugen dabei ein Bild, in dem diese wie Eiszapfen von einem Ast herabhängen.
Warum kommt es in Organisationen zu Spezialisten?
Erstens bilden Unternehmen Abteilungen (oder Silos) mit speziellen Aufgabenbereichen. Und diese Abteilungen werden schon beim Recruiting mit Spezialisten für diesen Bereich besetzt. Das heißt, Unternehmen bilden beispielsweise eine Abteilung für Datenbanken, stellen dazu Datenbank-Spezialisten ein und bilden Datenbank-Spezialisten-Teams. Und jedes Mal, wenn ein Problem oder eine Aufgabe zu einer Datenbank ansteht, wird genau diese eine Person bzw. dieses Team mit der Erledigung beauftragt.
Zweitens möchten Projektmanager oder Führungskräfte bestimmte Aufgaben oder ToDo’s natürlich schnell erledigt wissen. Und wem übertragen sie dann eine Aufgabe, wenn sie die Wahl zwischen zwei oder mehr Personen haben? Richtig: dem Spezialisten.
Nachteile durch Spezialisten
Langfristig erzeugen Spezialisten in (abgekapselten) Abteilungen eine Menge Nachteile für Organisationen.
Abhängigkeiten und Flaschenhälse
Wenn die Strukturen und Arbeitsabläufe darauf ausgelegt sind, stets Spezialisten aus Abteilungen mit konkreten Aufgaben zu betreuen, entsteht zwangsläufig Inselwissen. So kommt es dazu, dass manchmal nur noch eine spezielle Person ein Problem lösen kann, weil sie jahrelang auch die einzige war, die mit diesen Aufgaben betreut wurde.
Problematisch wird das dann, wenn diese Probleme recht häufig auftreten oder sogar zum Tagesgeschäft gehören. Denn dann wird der Spezialist zum Flaschenhals. Auch zwischen verschiedenen Abteilungen, die Aufgaben aus ihrem jeweiligen Spezialgebiet erledigen, entstehen immer mehr Abhängigkeiten. Oft können diese Abhängigkeiten nur schwer oder gar nicht aufgelöst werden, weil einzelne Abteilungen unterschiedliche Ziele verfolgen oder in eigenen Projekten feststecken.
Kooperation vs. Kollaboration
Ein weiteres Phänomen, dass durch viele Spezialisten entsteht, ist sehr häufig in neu gegründeten Scrum Teams zu sehen.
Jedes Teammitglied arbeitet lediglich an seinen eigenen Aufgaben, da sie die einzige ist, die sich mit diesem Thema gut auskennt. Sie müssen sich nur dann mit anderen Spezialisten des Teams austauschen, wenn Abhängigkeiten auftauchen. Sie kooperieren lediglich miteinander.
Generalisierte Spezialisten arbeiten kollaborativ an Aufgaben und ergänzen sich gegenseitig in ihrer Arbeit.
Erkennen kannst Du das Problem beispielsweise daran, wenn Dein Scrum Team den Sinn und Zweck des Daily Scrums nicht versteht, weil durch die Struktur des Teams gar kein Austausch notwendig ist. Auch im Sprint Planning kannst Du dieses Phänomen daran erkennen, dass der Produkt Owner Aufgaben an Spezialisten verteilt statt mit seinem Team ein gemeinsames Sprintziel zu formulieren.
Vorteile durch T-Shaped Skills
Weniger Flaschenhälse
Natürlich gibt es Aufgaben, die einen Experten bzw. Spezialisten benötigen.
Für die allermeisten Aufgaben, die in einem Team anfallen, reicht ein spezialisierter Generalist, der über ein solides Grundwissen verfügt, allerdings vollkommen aus. Je mehr generalisierte Spezialisten in einem Team sind, desto flexibler lassen sich Aufgaben erledigen.
Mehr T-Shaped Skills bedeutet deshalb, dass Flaschenhälse ganz verschwinden oder zumindest deutlich seltener auftreten.
Verbesserte Kommunikation
Wenn sich jedes Teammitglieder mit den Wissensdomänen anderer Teammitglieder beschäftigt, eignen sie sich zwangsläufig auch wichtige Fachbegriffe dieser Domäne an. Das führt langfristig zu einer verbesserten Kommunikation untereinander, da die Sprache der anderen nicht länger ein “Buch mit sieben Siegeln” ist.
T-Shaped Skills erhöhen die Leistung eines Teams
Im Endeffekt führen möglichst viele Teammitglieder mit T-Shaped Skills dazu, dass dieses Team als Ganzes leistungsfähiger wird. Deshalb kann ein solches Team mit weniger Menschen das Gleiche erreichen wie ein Team, das nur aus Spezialisten besteht. Oder mit gleich vielen Menschen mehr als ein reines Spezialisten-Team.
Wie Du T-Shaped Skills fördern kannst
Backlog Refinements mit dem gesamten Team durchführen
Gerade neue Scrum Teams haben die Tendenz, das Product Backlog Refinement nur mit den (aktuellen) Spezialisten eines Teams durchzuführen. Häufig wird dann angeführt, dass das Refinement auf diese Weise “effizienter” wäre. Einerseits ist diese Sichtweise natürlich nicht ganz falsch. Andererseits verpasst Ihr damit die Gelegenheit, das Refinement auch zum Wissensaustausch beziehungsweise -aufbau zu nutzen.
Wenn Ihr Eure Refinements mit dem gesamten Team durchführt, könnt Ihr dadurch nach und nach das Wissen im Team besser verteilen und dadurch T-Shaped Skills fördern.
Pair-Programming
Auch das sogenannte Pair-Programming ist eine hervorragende Möglichkeit, Wissen und Know-how besser im Team zu verteilen und generalisierte Spezialisten zu entwickeln. Darüber hinaus hat es noch eine Menge weiterer Vorteile wie beispielsweise eine bessere Softwarequalität und weniger Fehler.
Etabliere Feature Teams
Eine weitere, sehr hilfreiche Möglichkeit, um T-Shaped Skills in Scrum Teams zu fördern, sind sogenannte Feature-Teams.
Im Gegensatz zu Komponenten-Teams, die nur für eine bestimmte, technische Komponente zuständig sind, arbeiten Feature-Teams über mehrere Komponenten hinweg und können eine vollständige Funktion entwickeln.
Zwangsläufig eignen sich die Entwickler dadurch auch die notwenigen, komponenten-übergreifenden Fähigkeiten an.

Wann immer Generalisten Experten unterstützen können, sollten sie es tun
Drittens solltet Ihr Euch im Team angewöhnen, Experten oder Spezialisten bei ihren Aufgaben zu unterstützen, wann immer das möglich ist. Ähnlich wie beim Pair-Programming führt dieses Vorgehen dazu, dass sich Know-how besser im Team verteilt und Wissensinseln abgebaut werden.
Formuliere ein Ziel, statt alle mit Aufgaben zu versorgen
Falls Du Product Owner eines Scrum Teams bist, solltest Du dem Wunsch eines Spezialisten-Teams, jeden mit “passenden Aufgaben” zu versehen, nicht nachkommen. Es ist nicht Deine Aufgabe, den Sprint so zu gestalten, dass für jeden Aufgaben dabei sind, bei denen er sich schon gut auskennt. Vielmehr solltest Du gemeinsam mit Deinem Team ein Sprintziel erarbeiten und die Entwickler selbst herausfinden lassen, wie sie sich die Aufgaben ein- bzw. aufteilen.
Fazit zum T-Shaped Model
Wie Du siehst, sind T-Shaped Skills ein wichtiges Aspekt für leistungsfähige, interdisziplinäre Teams. Ihr seid also gut beraten, Wege zu finden, diese zu entwickeln, falls Ihr den Eindruck habt, dass Euer Team hauptsächlich aus Spezialisten besteht.
Falls Du noch Fragen zu diesem Artikel hast oder Anregungen, Ideen oder Kritik hast, kannst Du mir wir immer gerne einen Kommentar hier unten auf der Seite hinterlassen.