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Die Sprint Retrospektive ist der letzte Scrum Event eines Sprints und schließt diesen ab. Wie das Sprint Planning, das Daily Scrum und die Sprint Review ist es ein Meeting, das Überprüfung & Anpassung (Inspection & Adaption) ermöglichen soll.

Anders als in den anderen Scrum Events geht es in der Retrospektive jedoch nicht um das Produkt bzw. Inkrement, sondern um das Scrum Team selbst.

Sinn & Zweck einer Sprint Retrospektive

Die Sprint Retrospektive dient dazu, die kollaborative Zusammenarbeit eines Scrum Teams kontinuierlich zu verbessern, um Qualität des Produktes und die Effektivität des Scrum Teams zu optimieren.

Wie alle anderen Elemente von Scrum basiert auch sie auf empirischer Prozesssteuerung, weil sie davon ausgeht, dass ein Scrum Team aus der Vergangenheit lernen kann, was es in Zukunft (noch) besser machen kann. (Daher auch ihr Name, denn Retrospektive bedeutet so viel wie „Blick in die Vergangenheit“.)

Im Fokus einer Sprint Retrospektive steht der letzte Sprint hinsichtlich Individuen, Interaktionen, Prozessen & Tools sowie die Definition of Done.

Kollaboration und kollaboratives Arbeiten

Individuen

Auch wenn Scrum lediglich das agile Team als kleinste Einheit kennt, geht es in einer Sprint Retrospektive natürlich auch darum, die individuelle Rolle eines jeden Teammitglieds für sich selbst und alle anderen zu klären. Hier geht es also um Fragen wie:

  • Welche Bedeutung hatte mein persönlicher Beitrag für das Team (und unser Sprintziel)?

  • Habe ich mich wohl gefühlt und konnte motiviert arbeiten?

  • Hatte ich alles, was ich für meine persönliche Arbeit benötigte?

  • Wie ist meine persönliche Sichtweise auf das, was wir als Team geleistet haben?

Interaktionen

Darüber hinaus basiert Teamarbeit natürlich auf den Interaktionen der einzelnen Individuen untereinander.

  • War unsere Kommunikation untereinander wertschätzend und respektvoll?

  • Mit wem habe ich häufig interagiert und mit wem nicht? Warum war das so?

  • Hat die Art unserer Interaktionen dazu geführt, dass unser Produkt nun besser ist?

  • Gab es Konflikte und wie sind wir mit ihnen umgegangen?

Prozesse

Hier geht es um die Organisation von Arbeitsabläufen und wie gut (oder schlecht) sie funktioniert haben.

  • Wie gut haben wir unsere Arbeit organisiert und strukturiert?

  • Waren unsere Prozesse gut genug, um ein wertvolles und nutzbares Produkt zu erzeugen?

  • Wo hat es gehakt und welche Herausforderungen hatten wir?

  • Wie gut haben wir die anderen Scrum Events (Planning, Daily & Review) gestaltet?

Tools

Auch Werkzeuge und Tools, ihr Nutzen und ihre Nachteile können und sollen Teil der Sprint Retrospektive sein.

  • Hatten wir alle Tools, die wir zur Erledigung unserer Arbeit benötigt haben?

  • Hatten wir die geeignete Hard- und Software, um unsere Aufgaben zu erledigen?

  • Widmeten wir der Qualität und dem Zustand unserer Tools genügend Aufmerksamkeit?

  • Führten schlechte oder ungeeignete Tools zu Verzögerungen oder schlechten Ergebnissen?

Definition of Done

Neben Individuen, Interaktionen, Prozessen und Tools geht es in der Sprint Retrospektive jedoch auch um die Definition of Done (oder kurz DoD). Diese soll sicherstellen, dass ein Scrum Team zum Ende eines Sprints ein nutzbares Produkt-Update zur Verfügung stellen kann.

Die Sprint Retrospektive ist also auch ein formaler Ort, an dem Dein Scrum Team seine DoD verändern kann, um die Qualität Eures Produktes noch weiter zu verbessern.

Vorteile & Nutzen von Sprint Retrospektiven

Genau genommen haben Ken Schwaber und Jeff Sutherland mit der Sprint Retrospektive nichts Neues erfunden. Schon immer hat man sich darüber Gedanken gemacht, wie ein Team noch effektiver zusammenarbeiten kann. Denk beispielsweise nur an die bekannten Lessons Learned aus dem klassischen Projektmanagement.

Im Gegensatz dazu bietet eine Sprint Retrospektive jedoch einige wichtige Vorteile.

  • Erstens entsteht die Verbesserung bereits während der Zusammenarbeit.

  • Zweitens ist die kontinuierliche Verbesserung fest im Framework verankert.

  • Drittens hat eine Sprint Retrospektive einen direkten Bezug zur aktuellen Arbeit.

  • Viertens wird eine Strategie der kleinen Schritte möglich.

Kontinuierliche Verbesserung durch Retrospektiven

Verbesserung während der Zusammenarbeit

Wie bei Lessons Learned ist auch bei der Sprint Retrospektive der Grundgedanke, dass ein Scrum Team die kollaborative Zusammenarbeit verbessert. Allerdings geschieht das bei Scrum nicht in einem großen Hauruck-Meeting am Ende eines Prozesses (bzw. Projektes), sondern genauso iterativ und in regelmäßigen (kurzen) Zyklen wie bei der Weiterentwicklung des Produktes.

Der große Vorteil daran ist, dass ein Scrum Team direkt und unmittelbar von den Verbesserungen seiner Sprint Retrospektive profitieren kann.

Verankerung im Sprint

Die Sprint Retrospektive ist (wie alle anderen Scrum Events) ein fester Bestandteil eines jeden Sprints. Genauso wie beim Spielzug eines Brettspiels wird jeder Sprint in der immer gleichen Abfolge durchgeführt. Dadurch ist die kontinuierliche Verbesserung eines Scrum Teams in der täglichen Zusammenarbeit fest verankert.

Die Sprint Retrospektive ist damit ein unumstößlicher Bestandteil und wird nicht übersprungen oder ausgelassen. (Wie das oft bei Abschlussmeetings der Fall ist, wo jeder Beteiligte schon wieder im nächsten Projekt steckt und nicht mehr darüber nachdenken möchte, was vor drei Monaten alles falsch gelaufen ist.)

Direkter Bezug zur aktuellen Arbeit

Projekte unterscheiden sich in der Regel sehr stark voneinander. Man könnte auch sagen, dass kein Projekt dem anderen gleicht. Da stellt sich die Frage, wie gut Erkenntnisse aus einem abgeschlossenen Projekt auf das nächste Projekt übertragbar sind.

Sprint Retrospektiven haben deshalb den Vorteil, dass die dort beschlossenen Veränderungen sich auf den Kontext des Projektes beziehen, das aktuell durchgeführt wird. Diese Maßnahmen für die aktuelle Arbeit müssen jedoch nicht zwangsläufig auch für das nächste Projekt gelten. (Mitunter könnten sie sogar einen negativen Effekt erzeugen, obwohl sie im vorangegangenen Projekt einen positiven Einfluss hatten.)

Strategie der kleine Schritte

Mit der Verankerung der Sprint Retrospektive im Sprint geht noch ein vierter Vorteil einher. Denn dadurch, dass ein Sprint maximal einen Monat lang ist, sind die Probleme und Herausforderungen, die dort besprochen werden (müssen), nicht so riesig und umfangreich wie bei einem Zeitraum von 6 Monaten oder mehr.

Dadurch kann ein Scrum Team eine Strategie der kleinen Schritte verfolgen. Denn auch wenn nicht immer der große Wurf gelingt, so kann ein Scrum Team stets den ersten kleinen Schritt einer größeren Veränderung machen und am Ende des nächsten Sprints überlegen, wie es den zweiten Schritt machen kann.

Strategie der kleinen Schritte in der Retrospektive

Damit werden natürlich auch die mentalen Hürden bei der Umsetzung kleiner. Denn es ist leichter, viele kleine Veränderung nacheinander umzusetzen, als eine große Veränderungen auf einmal vorzunehmen.

Voraussetzungen für eine erfolgreiche Sprint Retrospektive

Die wichtigste Voraussetzung für eine erfolgreiche Sprint Retrospektive ist eine offene und positive Fehlerkultur in Deinem Scrum Team.

Nur wenn es auch gelingt, aus gemachten Fehlern und aufgetauchten Problemen zu lernen, kann die Sprint Retrospektive ihren Zweck erfüllen. Denn es geht ja nicht darum, Euch gegenseitig Vorwürfe zu machen.

Ein zentrales Element für gelungene Sprint Retrospektiven ist deshalb Amy Edmondsons Konzept der Psychologischen Sicherheit. Laut Edmondson ist Psychologische Sicherheit die gemeinsam geteilte Überzeugung, dass die Arbeitsumgebung sicher ist, um zwischenmenschliche Risiken einzugehen.

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Wer nimmt an der Sprint Retrospektive teil?

An der Sprint Retrospektive nimmt stets das gesamte Scrum Team teil, also Product Owner, Entwickler und Scrum Master. Letzterer moderiert in der Regel auch den gemeinsamen Workshop.

Wie lange dauert eine Sprint Retrospektive?

Die Dauer der Sprint Retrospektive ist abhängig von der Sprintlänge eines Scrum Teams. Bei einmonatigen Sprints beträgt die Timebox dieses Scrum Events maximal 3 Stunden. Ist die Sprintlänge kürzer, verkürzt sich die Dauer der Sprint Retrospektive ebenfalls. (Beispielsweise 1,5 Stunden bei zweiwöchigen Sprints.)

Phasen und Ablauf einer Sprint Retrospektive

Natürlich könnt Ihr Eure Sprint Retrospektive auf viele verschiedene Arten durchführen. (Der Scrum Guide schreibt Euch ja nicht vor, wie Ihr sie gestalten sollt.)
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Gestaltest Du Deine Sprint Retrospektiven anhand dieser 5 Phasen? Oder nutzt Du einen anderen Aufbau?x

Etabliert hat sich jedoch eine Struktur mit fünf aufeinanderfolgenden Phasen, die Esther Derby and Diana Larsen in ihrem (sehr lesenswerten) Buch Agile Retrospectives vorgestellt haben:

  • Check-in (Set the Stage)

  • Themen sammeln (Gather Data)

  • Einsichten gewinnen (Generate Insights)

  • Entscheidungen treffen (Decide What to Do)

  • Check-out (Close the Retrospective)

Methoden für Deine erste Sprint Retrospektive

Eine häufig gestellte Frage von frischgebackenen Scrum Mastern ist die nach Methoden, mit denen sich eine Sprint Retrospektive ansprechend und motivierend gestalten lässt. Und grundsätzlich ist ein umfangreicher Methodenkoffer natürlich hilfreich. Jedoch solltest Du als Scrum Master niemals eine Methode um der Methode willen einsetzen. Oder bei Deinem Team eine bestimmte Methode „durchdrücken“, weil Du der Meinung bist, dass diese Methode „jetzt total wichtig“ ist.

Methoden sollen Dich und Dein Scrum Team dabei unterstützen, in Eurer Sprint Retrospektive zu einem guten Ergebnis zu kommen. Sie dürfen kein Zwangskorsett sein, das Euch in vorbestimmte Bahnen lenkt.

Solange es Euch also gelingt, Euch auf konkrete Maßnahmen für Euren nächsten Sprint zu einigen, solltet Ihr auf bunte Methoden-Karusselle verzichten.

Fazit zur Sprint Retrospektive

Ich hoffe, ich konnte Dir mit diesem Artikel dabei helfen, den Sinn und Zweck der Sprint Retrospektiven besser zu verstehen. Richtig angewendet sind sie das vielleicht mächtigste Werkzeug, das Dir als Scrum Master zu Verfügung steht, um die Leistungsfähigkeit Deines Scrum Teams kontinuierlich zu verbessen.

Solltest Du noch offene Fragen, Anregungen oder Kritik zu diesem Artikel haben, schreib mir wie immer gerne einen Kommentar hier unten auf der Seite. Ich freu mich über eine Rückmeldung von Dir!