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Die wichtigste Frage, die Stakeholder eines Kanban Teams bewegt, ist in der Regel: „Wann wird es fertig sein?“ Und jeder weiß, dass diese Frage oft nur extrem schwer zu beantworten ist. Weder möchte man seine Stakeholder enttäuschen oder hinhalten, noch möchte man sich später auf gemachte Aussagen festnageln lassen, wenn diese dann doch nicht eintreten. Ein möglicher Ausweg aus diesem Dilemma ist die Verwendung einer Service Level Expectation (kurz: SLE), die ein fester Bestandteil von Kanban ist.

Wie sie aufgebaut ist, warum sie nützlich ist und wie Du sie mit Hilfe historischer Daten Eures Workflows herleiten kannst, erfährst Du in diesem Blogartikel.

Aufbau der Service Level Expectation

Die Service Level Expectation ist ein Forecast, der angibt, wie lange es vom Beginn bis zum Abschluss der Arbeit an einem Work Item dauern sollte. Aus diesem Grund besteht die SLE aus zwei verschiedenen Elementen. Nämlich einer Bearbeitungszeit und einer Wahrscheinlichkeit, mit der diese Bearbeitungszeit erreicht wird. Üblicherweise wird die Service Level Expectation deshalb folgendermaßen formuliert:

85 % aller Work Items sind innerhalb von 6 Tagen (oder weniger) abgeschlossen.

Bearbeitungszeit

Die Bearbeitungszeit der Service Level Expectation basiert auf der (historischen) Cycle Time eines Kanban Teams. Diese kann rückblickend für einen klar definierten Zeitraum ermittelt werden, indem man die Cycle Time der abgeschlossenen Work Items misst. Meistens liegt dieser Zeitraum zwischen zwei und vier Wochen.

Allerdings handelt es sich hier nicht um die durchschnittliche Cycle Time aller fertigen Work Items, weil diese für einen Forecast wenig hilfreich wäre.

(Warum das so ist, erfährst Du weiter unten.)

Wahrscheinlichkeit (Perzentil)

Das zweite Element der Service Level Expectation ist die Wahrscheinlichkeit, mit der diese Bearbeitungszeit für Work Items erreicht werden kann. Weil niemand in die Zukunft sehen und es immer zu „Ausreißern“ kommen kann, ist eine SLE von 100 % natürlich vollkommen unrealistisch.

Nichtsdestotrotz sollte es Euer Anspruch sein, dass die Wahrscheinlichkeit trotz allem so hoch wie möglich ist.

Wie hoch die Wahrscheinlichkeitsangabe Eurer SLE sein muss bzw. sollte, erfahrt Ihr natürlich vor allem im Dialog mit Euren Stakeholdern.
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Nutzt Euer Team eine SLE? Welche Wahrscheinlichkeiten sind für Eure Stakeholder akzeptabel und welche nicht?x
In der Regel liegt sie jedoch zwischen 80 und 95 Prozent.

Die SLE aus dem Cycle Time Scatterplot herleiten

Nachdem Du nun weißt, wie eine Service Level Expectation aufgebaut ist, möchte ich nun darauf eingehen, wie Du sie mit Hilfe historischer Daten Eures Workflows herleiten kannst.

Tatsächlich lässt sie sich recht einfach mit Hilfe eines Cycle Time Scatterplots ermitteln.

Hier siehst Du als Beispiel das Scatterplot eines Teams, das in den vergangenen 14 Tagen insgesamt 50 Work Items fertiggestellt hat.

Von diesen Work Items wurden 25 innerhalb von 2 Tagen fertiggestellt, 35 innerhalb von 5 Tagen und 45 Work Items innerhalb von 9 Tagen. (Nur 5 Work Items benötigten noch deutlich länger.)

Diese drei Gruppen bilden sogenannte Perzentile, mit deren Hilfe Du eine Service Level Expectation angeben kannst.

Denn das 90. Perzentil beinhaltet eben exakt die genannten 45 Work Items, die eine Cycle Time von maximal 9 Tagen haben. Als SLE ausgedrückt lautet das dann:

90 % aller Work Items sind innerhalb von 9 Tagen (oder weniger) abgeschlossen.

Alternativ könnte das gleiche Kanban Team auch eine andere SLE formulieren:

70 % aller Work Items sind innerhalb von 5 Tagen (oder weniger) fertiggestellt.

Oder auch:

50 % aller Work Items sind innerhalb von 2 Tagen (oder weniger) abgeschlossen.

Zwei Dinge lassen sich an diesem Beispiel sehr gut erkennen.

Zum einen wird deutlich, dass die Wahrscheinlichkeitsangabe der Service Level Expectation umso kleiner wird, je niedriger die (gewünschte) Cycle Time ist. Das liegt natürlich auch daran, dass das Cycle Time Scatterplot aus unserem Beispiel eine recht große Streuung aufweist.

Zum anderen kannst Du erkennen, dass die durchschnittliche Cycle Time aller Work Items im Vergleich zur SLE sehr viel ungenauer ist. Wenn Du nämlich die durchschnittliche Cycle Time anhand der Werte aus unserem Beispiel berechnest, kommst Du auf einen Durchschnittswert von 4,44 Tagen. Im Vergleich zu einer SLE wie „90 % aller Work Items sind innerhalb von 9 Tagen (oder weniger) fertiggestellt“ ist dieser Durchschnittswert für die Stakeholder Eures Teams von viel geringerem Nutzen.

Fazit zur Service Level Expectation

Ich hoffe, ich konnte Dir den Nutzen und die Vorteile einer Service Level Expectation ein wenig näher bringen. Denn gerade im Dialog mit Stakeholdern ist sie von unschätzbarem Wert. Meiner Erfahrung nach ist es mit Ihrer Hilfe deutlich leichter, Manager davon zu überzeugen, bestimmte Impediments zu beseitigen, die immer wieder zu Verzögerungen führen.