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Die Retrospektive ist ein sich kontinuierlich wiederholender Workshop Deines Teams, in dem Ihr gemeinsam analysiert, wie gut Ihr innerhalb eines (klar definierten) Zeitraums zusammengearbeitet habt. Mit Hilfe dieser Erkenntnisse könnt Ihr gemeinsam Verbesserungen beschließen, die Euch dabei unterstützen, Eure Teamleistung immer weiter zu verbessern.

Daher rührt auch der Name dieses Workshops: Denn Retrospektive bedeutet so viel wie Rückschau oder Rückblick. Der Gedanke der Retrospektive ist es, aus dem gemeinsamen Rückblick Erkenntnisse zu gewinnen, um Dinge in Zukunft besser machen zu können.

Vorteile & Nutzen von Retrospektiven

Zunächst möchte ich die Frage beantworten, warum es überhaupt sinnvoll und wichtig ist, Retrospektiven durchzuführen.

Im Großen und Ganzen bietet sie Dir und Deinem Team drei wesentliche Vorteile, die Ihr anderweitig nur schwer erreichen könnt.

  • Verbesserung der Zusammenarbeit im Team

  • Optimierung von Arbeitsabläufen

  • Teambuilding und Stärkung des Zusammenhalts

Kontinuierliche Verbesserung durch Retrospektiven

Verbesserung der Zusammenarbeit im Team

Erstens dient eine Retrospektive dazu, die Zusammenarbeit in Eurem Team zu verbessern. In einer Retrospektive reflektiert Ihr deshalb, was bereits gut funktioniert und was in der Vergangenheit nicht gut geklappt hat. Im Fokus stehen dabei besonders die Selbstorganisation Eures Teams und kollaboratives Arbeiten.

Hier geht es also um Fragen wie beispielsweise:

  • Sind alle Verantwortlichkeiten geklärt?

  • Arbeitet Ihr wirklich als Team zusammen oder hat jeder seine eigenen, individuellen Aufgaben?
  • Unterstützt Ihr Euch gegenseitig?

  • Seid Ihr mit der Art und Weise, wie Ihr zusammenarbeitet zufrieden?

Optimierung von Arbeitsabläufen

Zweitens geht es darum, in Eurer Retrospektive Mittel und Wege zu finden, Arbeitsabläufe zu optimieren. Hier dreht es sich also eher um Prozesse, Abläufe und Euren gemeinsamen Workflow.

  • Habt Ihr alle Aufgaben abgeschlossen, die Ihr Euch vorgenommen habt?

  • Welches Zielt habt Ihr Euch gesetzt und habt Ihr es erreicht?
  • Wo seid Ihr auf Hindernisse gestoßen, die zu Verzögerungen geführt haben?

  • Was könnt Ihr tun, damit das in Zukunft nicht mehr passiert?

Teambuilding & Stärkung des Zusammenhaltes

Drittens werden in einer Retrospektive auch zwischenmenschliche Aspekte thematisiert. Deshalb geht es in diesem Teammeeting auch um Fragen wie beispielsweise:

  • Wie gut funktioniert Ihr als Team?

  • Ist klar, wer welchen Beitrag leistet, um Eure gemeinsamen Ziele zu erreichen?
  • Gibt es schwelende Konflikte, die die Zusammenarbeit erschweren?

  • Fühlt Ihr Euch untereinander verbunden?

Zusammenarbeit im Team verbessern

Erfolgsfaktoren für Retrospektiven

Damit die Retrospektive all das erreichen kann, gibt es einige Erfolgsfaktoren und Dinge, auf die Ihr achten solltet. Dazu gehören unter anderem:

  • Offene & positive Fehlerkultur
  • Regelmäßige Wiederholung
  • Strategie der kleinen Schritte
  • Timeboxing

Offene & positive Fehlerkultur

Damit Fehler, Probleme und Herausforderungen von Euch besprochen werden können, braucht es eine offene & positive Fehlerkultur in Eurem Team.

Denn es geht ja nicht darum, dass Ihr Euch gegenseitig Vorhaltungen macht, sondern darum, aus den gemachten Fehlern zu lernen und Verbesserungen zu entwickeln, die dafür sorgen, dass diese in Zukunft nicht mehr auftauchen werden.

Es ist jedoch zugegebenermaßen nicht immer ganz so einfach, diesen Zustand zu erreichen.

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Ein zentrales Element, mit dem Ihr Euch deshalb auseinandersetzen solltet, ist die sogenannte Psychologische Sicherheit. Ist sie in Eurem Team nicht vorhanden, werden Fehler und Probleme nicht (oder nur unzureichend) angesprochen.

Eine weit verbreitete Methode, um Offenheit und Psychologische Sicherheit zu fördern, ist deshalb die Las-Vegas-Regel.

Las-Vegas-Regel

Die Las-Vegas-Regel bezieht sich scherzhaft auf die ausschweifenden Junggesellen-Abschiede, die in der Wüstenstadt in Nevada stattfinden, und besagt:

Was immer in Vegas geschieht, bleibt auch in Vegas.

So weiß jedes Teammitglied, dass nichts von dem, was in Eurer Retrospektive besprochen wird, später zu anderen nach außen dringt.

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Allerdings ist die Las-Vegas-Regel auch kein Freifahrtschein für Lästern, Rumbrüllen oder anderweitige schlechte Manieren.

  • Mehr darüber, wie Ihr eine offene und positive Fehlerkultur in Eurem Team fördern könnt, erfährst Du auch in meinem Artikel über Psychologische Sicherheit.

Regelmäßigen Wiederholung

Der zweite Erfolgsfaktor für agile Retrospektiven ist ihre regelmäßige Wiederholung in kurzen Abständen. Die Zusammenarbeit in Eurem Team verbessert sich nicht, wenn Ihr Euch nur einmal im Jahr zusammensetzt, um Grundsatzdiskussionen zu führen. In der Regel liegt der Abstand zwischen zwei Retrospektiven deshalb zwischen 2 und 4 Wochen, bei OKR-Retrospektiven kann der Zyklus auch bis zu 3 Monate betragen.

Eine noch längere Zeitspanne ist jedoch ungeeignet, weil dann die Möglichkeit zur Verbesserung zu selten gegeben ist. Zweitens wird dadurch außerdem die Anzahl an Themen zu groß und drittens kann sich sowieso niemand mehr daran erinnern, was vor einem halben Jahr passiert ist.

Strategie der kleine Schritte

Die relativ kurzen Abstände zwischen zwei Retrospektiven bringen noch weitere Vorteil mit sich.

Zum einen erzeugt Ihr durch einen festen Rhythmus einen überschaubaren Zeitraum. Dadurch könnt Ihr in Euren Retros besprechen, wie gut Eure Zusammenarbeit in den letzten zwei bzw. vier Wochen funktionierte.

Zum anderen wird durch dieses Vorgehen eine Strategie der kleinen Schritte möglich. Es ist viel einfacher, regelmäßig mit kleinen Veränderungen die Effektivität Eures Teams zu verbessern, als in einem einmaligen Workshop „den einen großen Wurf“ umzusetzen.

Strategie der kleinen Schritte in der Retrospektive

Timeboxing

Viertens solltet Ihr die Dauer Eurer Retrospektive mit einer Timebox begrenzen. Das hilft Euch dabei, Euch zu fokussieren und innerhalb eines maximalen Zeitrahmens Lösungen und Verbesserungen zu erarbeiten.

Zugegebenermaßen erfordert Timeboxing ein wenig Übung. Aber dadurch dass Ihr Eure Retrospektive regelmäßig wiederholt, werdet Ihr schnell dahinkommen, sie nicht ausufern zu lassen.

  • Retrospektiven, die einmal im Monat durchgeführt werden, sollten nicht länger als 3 bis maximal 4 Stunden dauern. Ist Euer Zyklus länger oder kürzer, solltet Ihr Eure Timebox entsprechend verlängern bzw. kürzen.

Ablauf und Phasen einer Retrospektive

Natürlich könnt Ihr Eure Retrospektive auf jede erdenkliche Art und Weise durchführen. Es gibt keine konkreten Vorgaben, die Ihr dabei zwingend beachten müsst.

Etabliert hat sich jedoch eine Struktur mit fünf aufeinanderfolgenden Phasen, die Esther Derby and Diana Larsen in ihrem Buch Agile Retrospectives vorgestellt haben:

  1. Check-in (Set the Stage)
  2. Themen sammeln (Gather Data)
  3. Erkenntnisse gewinnen (Generate Insights)
  4. Entscheidungen treffen (Decide What to Do)
  5. Check-out (Close the Retrospective)

Methoden für die Retrospektive

Neben den oben kurz erwähnten Methoden, gibt es natürlich noch viele weitere. Sie ermöglichen Dir als Agile Coach oder Scrum Master, die Retrospektive für Dein Team abwechslungsreich zu gestalten oder den Fokus auf bestimmte Aspekte der Zusammenarbeit zu lenken.

Retrospektiven in Scrum, Kanban & OKR

Im Großen und Ganzen sind sich die Retrospektiven, die in den meisten agilen Frameworks fest verankert sind, ziemlich ähnlich. Allerdings gibt es die eine oder andere Besonderheit, die ich an dieser Stelle zumindest kurz erwähnen möchte.

Die Sprint Retrospektive (Scrum)

Die bekannteste Form der Retrospektive ist sicherlich die Sprint Retrospektive in Scrum. Im Schwerpunkt fokussieren sich Sprint Retrospektiven auf Interaktionen, Individuen, Tools und Prozesse.

Das Besondere an ihr ist sicherlich, dass sie auch der formale Ort ist, an dem ein Scrum Team seine Definition of Done anpasst und überarbeitet.

Retrospektiven in Kanban

Auch wenn die Kanban-Methode eine Retrospektive nicht explizit vorschreibt, existiert mit der Kanban-Praktik Implementiere Feedbackzyklen zumindest ein klarer Hinweis darauf, dass es sehr sinnvoll ist, Retros durchzuführen.

Deshalb führen die meisten Kanban Teams auch Retrospektiven durch.

Weil Kanban einen starken Fokus auf den Workflow Deines Teams legt und Metriken im Vordergrund stehen, geht es auch in den Retrospektiven in erster Linie um diese Themen.

Die Retrospektive in OKR

Das agile Framework Objectives & Key Results (OKR) nutzt die gleichen Events, Workshops und Meetings wie Scrum. Die Besonderheit liegt jedoch darin, dass der Zyklus bei OKR deutlich länger ist und meistens 3 Monate dauert.

OKR-Retrospektiven stehen deshalb vor der Herausforderung, einen sehr langen Zeitraum zu überblicken, was die Gestaltung und den Ablauf durchaus zu einer Herausforderung machen kann.

Fazit zur Retrospektive

So viel von meiner Seite zur agilen Retrospektive. Ich hoffe, ich konnte Dir einen guten ersten Einblick in Nutzen, Vorteile, Erfolgsfaktoren und den Aufbau und Ablauf dieser agilen Methode bieten.

Falls Du noch Fragen, Ideen, Anregungen oder auch Kritik zu diesem Artikel haben, freue ich mich wie immer über einen Kommentar von Dir hier unten auf der Seite!