Jeder Agile Coach wünscht sich, dass seine Retrospektiven zu einem möglichst guten Ergebnis führen und sie die Weiterentwicklung seines Teams fördern. Das gelingt natürlich mal mehr und mal weniger gut. Oft liegt der Grund für “schlechte Retrospektiven” jedoch schon im Aufbau dieses Workshops. Deshalb sind die 5 Phasen einer Retrospektive, die Esther Derby und Diana Larsen mit ihrem Buch Agile Retrospectives bekannt gemacht haben, eine gute Orientierungshilfe für Dich, Retrospektiven so zu strukturieren, dass sie möglichst zielführend.
Warum Ihr Eure Retrospektive durch verschiedene Phasen strukturieren solltet
Wie jeder andere Workshop auch, sollte jede Retrospektive einem logischen Ablauf folgen, um Dir und Deinen Retro-Teilnehmern Struktur und Orientierung zu geben. Die 5 Phasen von Esther Derby und Diane Larsen helfen Euch in Euren Retrospektiven vor allem dabei, nicht direkt zur Lösung überzugehen oder Euch (zu früh) in Details zu verzetteln.
Nichtsdestotrotz geben die Phasen von Derby und Larsen Eurer Retrospektive Struktur und helfen Euch dabei, den roten Faden wieder aufzunehmen, falls Ihr Euch doch einmal verzettelt haben solltet.
Die 5 Phasen einer Retrospektive im Überblick
Nach Derby und Larsen gliedert sich eine Retrospektive in fünf aufeinander aufbauende Phasen:
Phase 1: Check-in (Set the Stage)
Mit einem gut gewählten Check-in in Eure Retrospektive vermeidet Ihr einen “Kaltstart”. Der Check-In erzeugt also zum einen eine gute Atmosphäre, die nach Möglichkeit jeden Teilnehmer animiert, sich zu öffnen und frei zu sprechen.
Zum anderen dient der Check-in jedoch auch dazu, das Ziel Eurer Retrospektive für alle transparent zu machen. Denn es muss nicht immer so sein, dass Eure Retrospektive thematisch vollkommen “offen” ist, sondern sich um eine konkretes Thema oder Problem dreht, dass Ihr in der Retrospektive analysieren möchtet und durch Dich als Agile Coach eingebracht wird.

Phase 2: Themen sammeln (Gather Data)
In der zweiten Phase Eurer Retrospektive geht es darum, diejenigen Themen zu sammeln, die in Eurer letzten Iteration aufgetaucht sind und die Ihr in Eurer Retrospektive genauer analysieren möchtet. Die Bandbreite reicht dabei von harten Fakten bis hin zu Gefühlen.
Wichtig ist an dieser Stelle, dass es noch nicht darum geht, schon die Ursachen und Gründe für bestimmte Ereignisse herauszufinden.
Vielmehr geht es darum, Themen, Ereignisse und Probleme zunächst nur zu benennen und zu sammeln, um Euch als Team einen gemeinsam geteilten Blick auf die wichtigsten Ereignisse des zurückliegenden Zeitraums zu ermöglichen.

Phase 3: Erkenntnisse gewinnen (Generate Insights)
Erst wenn alle Themen gesammelt und vorgestellt wurden, geht es in der dritten Phase Eurer Retrospektive darum, die Ursachen und Gründe dafür zu ermitteln. Nur so seid Ihr in der Lage, potenzielle Muster & Gemeinsamkeiten in den zuvor entdecken Themen zu erkennen.
Falls Ihr also die zweite und dritte Phase nicht klar voneinander trennt, habt Ihr gute Chancen, dass Euch genau diese gemeinsamen Ursachen entgehen und Ihr tieferliegende Probleme in Eurer Zusammenarbeit nicht erkennt. Die Folge davon ist Symptombekämpfung oder auch nur eine Lösung 1. Ordnung.

Phase 4: Entscheidungen treffen (Decide What to Do)
In der vorletzten Retrospektiven-Phase beschließt Ihr gemeinsam, welche Dinge Ihr (möglichst bereits mit Beginn Eurer nächsten Iteration) anders machen möchtet.
Auch hier kann es sinnvoll sein, zunächst viele Lösungsvorschläge zu sammeln und diese anschließend auszusortieren. Wichtig ist jedoch vor allem, dass Ihr Euch nicht zu viel vornehmt. Einigt Euch auf 1 bis maximal 2 wichtige Veränderungen, die Ihr umsetzen möchtet.
Darüber hinaus solltet Ihr diese Veränderungen möglichst greifbar angehen. Große Veränderungen solltet Ihr in einem ersten konkreten Schritt angehen.

Phase 5: Check-out (Close the Retrospective)
Nachdem Ihr gemeinsam Veränderungen und konkrete Maßnahmen in Eurer Retrospektive beschlossen habt, solltet Ihr die letzte Phase auf keinen Fall auslassen.
Gebt Eurer Retro einen würdigen Abschluss! Drückt noch einmal Eure Anerkennung für die in der letzten Iteration geleistete Arbeit aus (beispielsweise mit Hilfe von Kudo-Karten) oder bestärkt Euch noch einmal darin, die festgehaltenen Maßnahmen umzusetzen.

Methoden für jede Retrospektiven-Phase
Es gibt viele Möglichkeiten, die 5 Phasen einer Retrospektive abwechslungsreich und interessant zu gestalten. Wenn Du auf der Suche nach konkreten Methoden bist, empfehle ich Dir einen Blick in meinen Artikel 17 Methoden für Deine nächste Retrospektive. Dort findest Du Inspiration und Ideen für jede der hier vorgestellten Phasen.
Alternative Retrospektiven-Formate
Wie bereits oben erwähnt, sind diese 5 Retro-Phasen nicht der “heilige Gral”, an den Ihr Euch immer strengstens halten müsst. Es gibt durchaus alternative Möglichkeiten, Retrospektiven anders durchzuführen und dabei ebenfalls erfolgreich zu Ergebnissen zu gelangen.
Heldenreise
Die Heldenreise ist ein Retrospektiven-Format, das besonders für größere Zeiträume von 3 Monaten oder mehr sehr hilfreich ist. Auch wenn Euer Team sich trennen sollte, weil neue oder andere Projekte anstehen, ist sie ein tolles Format.
(Allerdings ist sie auch ein wenig umfangreicher und aufwändiger in der Vorbereitung.)

Moving Motivators
Die Moving Motivators gehören zum Management 3.0 und unterstützen Euch dabei, gemeinsam herauszufinden, was Euch motiviert und wie Ihr Eure Arbeit gestalten müsst, damit sich jeder im Team bestmöglich engagiert.
Diese Retrospektive eignet sich besonders für neu entstandene Teams, die sich noch in der Storming- bzw. Norming-Phase befinden.

Segelboot-Retrospektive 2.0
Auch beliebte Segelboot-Methode (die eigentlich nur für die Phase Themen sammeln gedacht ist) lässt sich mit ein klein wenig Aufwand in ein Format umwandeln, mit dessen Hilfe sich die gesamte Retro gestalten lässt.
Eventuell solltest Du sie jedoch noch um einen guten Check-in bzw. Check-out ergänzen.

Fazit
Ich hoffe, ich konnte Dir den Sinn der 5 Retrospektiven-Phasen näher bringen und warum Du sie bei der Planung bzw. Gestaltung Deiner Retrospektiven stets berücksichtigen solltest. Solltest Du noch Fragen, Ideen, Anregungen oder Kritik zu diesem Beitrag haben, freue ich mich wie immer auf Dein Feedback hier unten in den Kommentaren.