Die nächste Retrospektive steht an und Du weißt noch nicht, mit welchen Methoden Du sie gestalten sollst? Dann bist Du hier genau richtig! In diesem Artikel habe für Dich die besten Retrospektiven-Methoden zusammengestellt, die ich in den vergangenen Jahren häufig genutzt und mit denen ich gute Erfahrungen gemacht habe. Darunter findest Du natürlich den einen oder anderen Klassiker, aber auch einige Methoden, die weniger bekannt sind.
Methoden für die 5 Phasen der Retrospektive
Diese Methodensammlung orientiert sich im Aufbau an den 5 Phasen einer Retrospektive, die auf Esther Derby and Diana Larsen zurückgehen und die sie in ihrem Buch Agile Retrospectives vorgestellt haben:
- Check-in (Set the Stage)
- Themen sammeln (Gather Data)
- Erkenntnisse gewinnen (Generate Insights)
- Entscheidungen treffen (Decide What to Do)
- Check-out (Close the Retrospective)
Phase 1: Einstieg & Check-in
Der Einstieg ist eine der wichtigsten Phasen der Retrospektive. Gelingt er gut, ist der Rest meist ein Kinderspiel. Hier sind einige Methoden, die ich gerne für den Check-in verwende und mit denen ich gute Erfahrungen gemacht habe.
Mad Team Party
Die Mad Team Party nimmt Bezug auf den verrückten Hutmacher aus Alice im Wunderland. (Bei der verrückten Teeparty reden alle Anwesenden wild durcheinander und keiner hört dem anderen so richtig zu.) Genauso machst Du es bei diesem Retro Check-in, den Du am besten online durchführen kannst.
Überlege Dir vorab ein paar (verrückte) Sätze, die jeder Teilnehmer vervollständigen soll. Beispielsweise “Die letzte Iteration war…” oder “Als unsere Datenbank abgeraucht ist, wäre/hätte ich am liebsten…” (Nimm dabei Bezug auf Ereignisse, die in Eurer letzten Iteration wichtig gewesen sind.)
Schreibe den ersten Satzanfang in den Chat Eures Videokonferenz-Tools und gib Deinen Team-Kollegen ein wenig Zeit, ihn über den Chat Eures Onlinetools zu vervollständigen. (Aber nicht zu viel, sonst macht es nicht so viel Spaß.)
Wichtige Regel: Erst wenn Du als Agile Coach von 3 runtergezählt hast und Los! rufst, dürfen Deine Teamkollegen die Enter-Taste betätigen und ihren Satz mit den anderen teilen.

Die Chat-Einträge werden nicht besprochen. Schreibe einfach den nächsten Satzanfang in den Chat, den Deine Retroteilnehmer dann wieder vervollständigen sollen. Die Mad Team Party könnt Ihr solange spielen, wie es Euch Spaß macht und Ihr keine Lust mehr habt.
Wetterbericht
Manchmal kann eine Iteration genauso wechselhaft wie das Wetter sein. Bei dieser Methode lässt Du die Teilnehmer Deiner Retrospektive einen (kurzen) Wetterbericht darüber schreiben.
Als unsere Reise begann, hatten wir noch sehr viel Sonne. Es wurde jedoch schnell sehr windig und schon nach kurzer Zeit begann es stark zu regnen. Unser Wanderweg verwandelte sich schnell in einen schlammigen Pfad mit großen Pfützen, die wir großräumig umgehen mussten, was viel Zeit gekostet hat. Zum Glück wurde das Wetter zum Ende wieder besser.

Kart fahren (mit Gather.Town)
Es muss ja nicht immer ein thematischer Einstieg in die Retrospektive sein.
Mit dieser Methode könnt Ihr zum Check-in auch eine gemeinsame (virtuelle) Runde auf der Kartbahn von Gather.Town drehen.
Dazu benötigt Ihr nicht einmal ein Bezahl-Abo, denn mit kleinen Teams könnt Ihr Gather.Town sogar kostenlos verwenden.
Für eine Runde Kart reicht das in jedem Fall.

Weitere Check-in-Methoden für Deine Retrospektive
Phase 2: Themen sammeln
In der zweiten Phase der Retrospektive geht es darum, gemeinsam mit Deinem Team Themen zu sammeln. Hier findest Du einige Methoden, die Dir dabei helfen.
The Good, The Bad, The Ugly
Mit der Methode The Good, The Bad, The Ugly kannst Du in Eurer Retrospektive Themen zur letzten Iteration sammeln. Sie nimmt Bezug auf den Western Zwei glorreiche Halunken mit Clint Eastwood. (Allerdings auf den Original-Titel.)
Mit The Good, The Bad, The Ugly kannst Du übrigens auch das Thema Film zum Leitmotiv Deiner Retrospektive machen und eine thematische Retrospektive gestalten.
Three little Pigs
Die Retrospektiven-Methode Three little Pigs ist relativ unbekannt. Mit Ihr legst Du den Fokus stärker auf technische und methodische Prozesse. Sie eignet sich weniger, wenn zwischenmenschliche Themen besprochen werden (sollten).
Mad, Sad, Glad
Mad, Sad, Glad ist eine Retrospektiven-Methode, die sich großer Beliebtheit erfreut. Dabei ist allerdings ein wenig Vorsicht angeraten: Falls Dein Team einen sehr harten Sprint hatte, in dem es mit vielen Herausforderungen kämpfen musste, kann die Spalte Mad schon einmal sehr voll werden und Deine Retrospektive in eine wenig konstruktive “Auskotzrunde” münden.
Falls es viele Herausforderungen gab, solltest Du überlegen, auf die konstruktivere 4L-Methode auszuweichen, um Themen zu sammeln.
4L-Methode
Auch die 4L-Methode ist ein echter Klassiker unter den Retro-Methoden. Gerade dann, wenn Du als Scrum Master oder Agile Coach den Fokus auf Dinge lenken möchtest, die nicht so gut liefen, eignet sie sich sehr gut. Denn die beiden Kategorien Lacked und Longed for beziehen sich zwar beide auf negative Aspekte der letzten Iteration, machen aber unterschiedliche “emotionale Schwerpunkte” sichtbar.
Außerdem fördert die 4L-Retrospektive eine konstruktive Auseinandersetzung mit den Dingen, die schlecht gelaufen sind, da sie einen Schwerpunkt auf Lernem setzt.
Oscars für User Stories
Möchtet Ihr in Eurer Retrospektive die Themen lieber anhand von User Stories Eurer sammeln, bietet sich die Methode Oscars für User Stories an. Dazu bereitest Du ein Board vor, auf dem alle Stories der letzten Iteration als Kärtchen vorhanden sind.
Fordere dann Deine Teammitglieder auf, jede User Story für eine der drei Kategorien Beste User Story (Oscar), Nervigste User Story (Goldene Himbeere) und einer eigenen Kategorie zu nominieren.
Sind alle User Stories nominiert, können Deine Kollegen über ein Dot-Voting Punkte vergeben und Ihr ermittelt den Sieger für jede Kategorie.
Anschließend besprecht Ihr in der folgenden Retrophase, warum die jeweilige User Story gewonnen hat. (Und natürlich welche Schlussfolgerungen Ihr daraus ziehen könnt.)
Phase 3: Erkenntnisse gewinnen
In der dritten Retrospektiven-Phase geht es darum, gemeinsam zu ergründen, warum gewissen Dinge so geschehen sind, wie sie geschehen sind. Auch hier gibt es einige hilfreiche Methoden, die Euch in dieser Phase Eurer Retrospektive unterstützen können.
Back to the Future
Manchmal kann es hilfreich sein, sich vorzustellen, man hätte etwas bereits erfolgreich geschafft und umgesetzt. Hierbei unterstützt Euch die Methode Back to the Future. Dabei stellt Ihr Euch vor, die nächste Iteration wäre perfekt gelaufen. Beantwortet Euch gemeinsam klärende Fragen dazu:

Kopfstandmethode
Auch bei dieser Retrospektiven-Methode werft Ihr einen Blick in die Zukunft. Allerdings stellt Ihr Euch dieses Mal vor, Euer nächster Sprint wäre ein absolutes Desaster. Lasse jeden Retrospektiven-Teilnehmer alles aufschreiben, was das Team tun kann, damit der nächste Sprint möglichst schlecht verläuft.
Stellt Euch danach die Frage:
Welche Dinge, die wir hier aufgeschrieben haben, tun wir bereits?

Überlegt gemeinsam in der nächsten Phase Eurer Retrospektive (Entscheidungen treffen), welche Dinge Ihr verändern müsst, um diese negativen Aktivitäten abzustellen.
5-Why-Methode
Eine weitere sehr hilfreiche, jedoch nur selten genutzte Methode, um Erkenntnisse zu gewinnen, ist die 5-Why-Methode. Sie unterstützt Dich und Dein Team dabei, tieferliegende Ursachen für Probleme zu identifizieren und dadurch Symptombekämpfung und Workarounds zu vermeiden
Für jedes ermittelte Problem der letzten Iteration fragt Ihr 5x hintereinander “Warum ist das passiert?” Dadurch werden grundsätzliche Probleme sichtbar, die ohne das hartnäckige Nachfragen nicht von Euch erkannt werden können.

Natürlich ist das fünfmalige Warum-Fragen, lediglich als Faustregel und nicht wörtlich zu verstehen.
Phase 4: Entscheidungen treffen
In der vierten Phase der Retrospektive trefft Ihr gemeinsam Entscheidungen, was Ihr ab dem nächsten Sprint anders bzw. besser machen möchtet. Hier sind einige Methoden, die Ihr dafür verwenden könnt.
Starfish-Methode
Die Starfish-Methode ist ein absoluter Retrospektiven-Klassiker. Alle Entscheidungen werden in fünf unterschiedliche Kategorien eingeordnet, wodurch sich das seesternförmige Muster ergibt, das dieser Methode seinen Namen gab.
Ich packe meinen Koffer und nehme mit
Diese Methode ist so etwas wie der “kleine Bruder” der Starfish-Retrospektive. Sie eignet sich insbesondere dann sehr gut, wenn Du beispielsweise eine thematische Retro zum Thema Sommer & Urlaub durchführen möchtest.
3-Horizonte-Retrospektive
Nicht alles lässt sich immer sofort in der nächsten Iteration umsetzen. Da kann es hilfreich sein, mögliche Maßnahmen in kurzfristige, mittelfristige und langfristige Veränderungen zu unterscheiden. Die 3-Horizonte-Retrospektive basiert auf einem Framework zur Unternehmensentwicklung, das im Jahr 2000 erstmals in The Alchemy of Growth vorgestellt wurde.
Manchmal kann es auch hilfreich sein, Themen und Ideen, die Ihr in Horizont 2 oder 3 eingeordnet habt, weiter zu besprechen. Überlegt gemeinsam, was Ihr unternehmen könnt, um diese Veränderungen in kleinen Schritten anzugehen.
Phase 5: Abschluss (Check-out)
Genauso wie Du eine Retrospektive nicht mit einem Kaltstart ohne Check-in beginnen solltest, solltest Du sie auch nicht abrupt beenden. Auch für den Check-out gibt es verschiedene Methoden, die Dir dabei helfen können. Gerade für Dich als Agile Coach ist es hilfreich zu wissen, wie Du die nächste Retrospektive noch besser gestalten kannst.
SaMoLo
SaMoLo steht für Same of, More of und Less of. Unterteile ein Flipchart (oder digitales Whiteboard) in drei Bereiche und bitte Deine Retrospektiven-Teilnehmer, Dir Feedback zu geben, wovon sie in der nächsten Retro mehr, weniger oder genauso viel haben möchten.
Diese Methode eignet sich übrigens nicht nur für den Check-out der Retrospektive! Du kannst sie auch in der Phase Entscheidungen treffen nutzen.

Kudos to you!
Eine schöne Möglichkeit, die Retrospektive positiv zu beenden, sind sogenannte Kudo-Karten. Zum Ende der Retro schreibt jeder Teilnehmer ein kurzes Lob oder positives Feedback auf eine Postkarte und Ihr heftet sie an eine Pinnwand, die in Eurem Teamraum steht.
Wenn Ihr diese Check-out Methode regelmäßig wiederholt, habt Ihr schon nach kurzer Zeit eine tolle Feedbackwand mit schönen Erinnerungen!

Brief an mein zukünftiges Ich
Du kannst Deine Retroteilnehmer auch auffordern, einen Brief an sich selbst zu schreiben, in dem sie sich selbst daran erinnern, was sie sich heute vorgenommen haben. Das funktioniert besonders dann gut, wenn Ihr eine analoge Retrospektive durchführt und Du diese Briefe danach einsammelst. So kannst Du sie in einer später folgenden Retro wieder hervorholen und sie beispielsweise als Check-in nutzen.
Haben wir das, was wir uns heute vorgenommen haben, wirklich umgesetzt?

Noch mehr Retrospektiven-Methoden
Es gibt natürlich noch viele weitere Methoden für die Gestaltung Deiner nächsten Retrospektive. Hier habe ich noch einige gute Quellen für Dich aufgelistet:
Ich hoffe, ich konnte Dich wie immer ein klein wenig inspirieren und Dir dabei helfen, Deinen Methodenkasten zu erweitern. Wie steht’s mit Dir? Kennst Du noch Retro-Methoden, die ich hier nicht erwähnt habe, die aber auf keinen Fall fehlen sollten? Oder hast Du vielleicht sogar schon einmal schlechte Erfahrungen mit einer der hier genannten Methoden gemacht? Dann hinterlasse mir einen Kommentar hier unten auf der Seite!