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Little’s Law stammt ursprünglich aus der Warteschlangentheorie, spielt jedoch auch in vielen agilen Frameworks eine zentrale Rolle. Es begegnet Dir in Kanban, Six Sigma und vielen anderen Ansätzen aus dem Lean Management. Die Formel wurde bereits in den 50er Jahren des letzten Jahrhunderts von John Dutton Conant Little vorgestellt und 1961 auch mathematisch von ihm bewiesen.

In diesem Beitrag erfährst Du, was Little’s Law genau aussagt, welche Denkfallen Du bei der Anwendung vermeiden solltest und welchen Nutzen die Formel trotz aller Problematik für die Optimierung eines Workflows hat.

Was besagt Little’s Law?

Nach Little’s Law stehen die Metriken Work In Progress, Throughput und Cycle Time zueinander in einem festen Verhältnis. Das heißt, wenn sich eine dieser drei Metriken verändert, hat das immer auch Einfluss auf wenigstens eine der beiden anderen Kanban-Metriken.

Genauer gesagt ist laut Little’s Law die durchschnittliche Cycle Time eines Teams (oder Systems) gleich dem durchschnittlichen Work In Progress geteilt durch den durchschnittlichen Throughput dieses Teams (oder Systems).

Little's Law

Wie kann Dir Little’s Law helfen?

Littles Gesetz hilft Dir vor allem dabei, die Wirkungsweise eines WIP-Limits richtig zu verstehen. Denn bei der Optimierung Eures Workflows geht es ja eigentlich darum, die Cycle Time zu verringern und/oder den Throughput zu erhöhen. Warum solltet Ihr also den Work In Progress „künstlich begrenzen“?

Nun, der simple Grund dafür liegt darin, dass Du weder Cycle Time noch Throughput Deines Teams direkt beeinflussen kannst. (Außer Du glaubst, dass Ihr schneller arbeiten werdet, nur weil Ihr Euch gegenseitig kräftig anfeuert.)

Glücklicherweise beweist uns Little’s Law, dass sich die durchschnittliche Cycle Time verkürzt, wenn wir den Work In Progress eines Workflows verringern. Denn indem wir den Work In Progress begrenzen bzw. limitieren, wird der Bruch auf der rechten Seite der Formel kleiner, was einer Verringerung der Cycle Time auf der linken Seite der Formel entspricht.

Denkfallen bei der Nutzung von Littles Gesetz

Allerdings solltest Du bei der Nutzung von Little’s Law auf drei wichtige Punkte achten, um nicht in beliebte Denkfallen zu tappen:

  • Erstens gilt die Formel (nur) für stabile Systeme.
  • Zweitens gilt sie für Durchschnittswerte.

  • Drittens weißt Du niemals exakt im Voraus, welche Metrik sich verändern wird.

Stabile Systeme

Zuallererst gilt Little’s Law für stabile Systeme bzw. Workflows. Das bedeutet, dass Work Items den Workflow genauso schnell verlassen, wie neue Work Items in den Workflow eintreten und sich der Workflow selbst nicht kontinuierlich verändert. In Kanban spricht man in diesem Zusammenhang auch von konstanter Ankunftsrate & Throughput.

In komplexen Umgebungen, die sich permanent verändern und die einer Vielzahl von Einflüssen, Herausforderungen und Problemen unterliegen, kannst Du deshalb nicht einfach mit Hilfe von Little’s Law die neue Cycle Time mathematisch herleiten, wenn Dein Team sein WIP-Limit halbiert.

Durchschnittswerte

Zweitens kommt hinzu, dass Little’s Law eine Gleichung ist, die von Durchschnittswerten spricht. Genauer gesagt, gilt Little’s Law für die ungefähren, durchschnittlichen Werte von Cycle Time, Throughput und Work In Progress. (Englisch auch approximate average.)

Die Konsequenz daraus möchte ich Dir mit dem Witz vom ertrunkenen Statistiker verdeutlichen:

Dieser durchquerte einen durchschnittlich 1 Meter tiefen See und ertrank an einer 4 Meter tiefen Stelle, weil er nicht schwimmen konnte.

Durchschnittswerte sind gefährlich

Durchschnittswerte sind eben nur Durchschnittswerte und verdecken Variabilität und Schwankungen, die für die Praxis jedoch ein potenzielles Risiko darstellen. Das macht Littles Gesetz als Formel, mit der beispielsweise der Forecast eines Kanban Teams „mathematisch berechnet“ werden soll, vollkommen ungeeignet.

  • Wenn Du Dich für dieses Thema interessierst, empfehle ich Dir einen Blick auf meinen Artikel über die Service Level Expectation. Dort zeige ich Dir, wie Du mit Hilfe eines Cycle Time Scatterplots einen begründeten Forecast für Deine Stakeholder herleiten kannst.

Metriken

Drittens sagt Little’s Law lediglich aus, dass die drei Metriken Cycle Time, WIP und Throughput zueinander in einem Verhältnis stehen.

Du weißt jedoch nicht, was genau passieren wird, wenn sich eine dieser drei Metriken verringert oder erhöht. Es kann sein, dass sich nur eine der anderen Metrik verändert. Aber Du weißt nicht zwangsläufig, welche von beiden das sein wird. Darüber hinaus könnten sich auch beide Metriken verändern.

Ist Little’s Law dann überhaupt hilfreich?

Wenn Du diese drei Denkfallen und Probleme bei der Nutzung von Little’s Law in Betracht ziehst, dann könntest Du Dich an dieser Stelle fragen, ob Dir die Formel in der Praxis überhaupt weiterhelfen kann.

Nun, es kommt ein wenig darauf an, wie Du sie verwendest. Wenn Du mit Hilfe von Littles Gesetz die zukünftige (durchschnittliche) Cycle Time errechnen willst, wenn Du das WIP-Limit Deines Kanban Teams senkst, dann wird die Formel nichts nützen.

Falls Du hingegen die Zusammenhänge zwischen Cycle Time, Work In Progress und Throughput verstehen möchtest, ist sie hingegen außerordentlich hilfreich.