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Die Evolution der Kanban-Prinzipien

Bevor ich im Detail auf die Kanban-Prinzipien eingehe, möchte ich Dir vorab einen kurzen Überblick über die Evolution bzw. Geschichte dieser Prinzipien geben. Denn erstaunlicherweise haben sie in den letzten Jahren immer wieder Veränderungen bzw. Erweiterungen erfahren.

Allerdings gebe ich gerne zu, dass ich bei manchen Änderungen nicht in der Erfahrung bringen konnte, woher sie kommen und warum sie entstanden sind.
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Du hast Informationen, warum und wann es zu Änderungen an den Kanban-Prinzipien kam? Dann lass es mich gerne wissen, damit ich diesen Artikel noch erweitern kann!x

David J. Anderson (2010)

Dass Kanban überhaupt in der IT eingesetzt wird, verdanken wir in erster Linie David J. Anderson, der auf diesem Gebiet Pionierarbeit leistete.

In seinem Buch Kanban – Evolutionäres Change Management für IT-Organisationen aus dem Jahr 2010 spricht Anderson noch von lediglich drei Kanban-Prinzipien. (In der zugrundeliegenden englischen Originalauflage, das auch als Blue Book bekannt ist, fehlen diese sogar völlig.)

  • Beginne dort, wo Du Dich im Moment befindest.

  • Vereinbare, dass inkrementelle, evolutionäre Veränderung verfolgt wird.

  • Respektiere initial bestehende Prozesse, Rollen, Verantwortlichkeiten & Jobtitel.

Kanban Blue Book - Noch ohne Kanban-Prinzipien

Mike Burrows (2011)

Andersons drei Kanban-Prinzipien wurden später von Mike Burrows in seinem Buch Kanban verstehen, einführen, anwenden aufgegriffen. Allerdings erweiterte Burrows die drei Kanban-Prinzipien um ein weiteres Prinzip:

Ermutige dazu, Führung auf jeder Ebene der Organisation zu zeigen – vom einzelnen Mitarbeiter bis zum höheren Management.

Nach Burrows haben wir es also mit insgesamt vier Kanban-Prinzipien zu tun:

  • Beginne dort, wo Du Dich im Moment befindest.

  • Vereinbare, dass inkrementelle, evolutionäre Veränderung verfolgt wird.

  • Respektiere initial bestehende Prozesse, Rollen, Verantwortlichkeiten & Jobtitel.

  • Ermutige dazu, Führung auf jeder Ebene der Organisation zu zeigen.

Die aktuellen Kanban-Prinzipien

Die aktuellsten Quellen (wie beispielsweise die Kanban University) sprechen mittlerweile von insgesamt sechs Kanban-Prinzipien, wobei diese in zwei Gruppen mit jeweils drei Prinzipien unterteilt sind. Diese sechs Prinzipien tauchten erstmals in David J. Andersons kostenlos verfügbarem Buch Essential Kanban Condensed aus dem Jahr 2016 auf.

Die Change-Prinzipien basieren auf den Grundprinzipien von Anderson bzw. Burrows, während die Service-Delivery-Prinzipen vollkommen neu sind.

Bei den Change-Prinzipien kommt noch hinzu, dass das von Burrows hinzugefügte Kanban-Prinzip beibehalten wurde, dafür aber das auf Anderson zurückgehende Prinzip „Respektiere initial bestehende Prozesse, Rollen, Verantwortlichkeiten & Jobtitel“ im ersten Change-Prinzip aufgegangen ist. (Siehe Grafik)

Change-Prinzipien

  • Beginne dort, wo Du Dich im Moment befindest.

  • Vereinbare, dass inkrementelle, evolutionäre Veränderung verfolgt wird.

  • Ermutige dazu, Führung auf jeder Ebene der Organisation zu zeigen.

Service-Delivery-Prinzipien

  • Verstehe die Bedürfnisse und Erwartungen der Kunden und fokussiere Dich auf diese.

  • Manage die Arbeit, lass die Menschen sich selbst um die Arbeit herum organisieren.

  • Entwickle das Netzwerk aus Services und dessen Regeln häufig weiter, um Ergebnisse zu verbessern.

Die Kanban-Prinzipien im Detail

Nach unserer kleinen Reise durch die Evolution der Kanban-Prinzipien, möchte ich mit Dir noch einen kurzen Blick auf die einzelnen Prinzipien werfen und ein paar Worte darüber verlieren, was sie für Dich und Dein Team in der Anwendung von Kanban bedeuten.

Beginne dort, wo Du Dich im Moment befindest

Kanban ist kein Big-Bang-Ansatz, bei dem Deine Organisation zuerst viele Veränderungen vornehmen muss, bevor Ihr überhaupt starten könnt. Stattdessen beginnt Ihr am besten damit, den aktuellen Zustand Eures Workflows transparent zu machen und dadurch Erkenntnisse zu gewinnen, bevor Ihr Veränderungen vornehmt.

Damit ist Kanban viel einfacher und softer einzuführen als beispielsweise Scrum, das mit neuen Teamstrukturen, Verantwortlichkeiten usw. schon recht abschreckend wirken kann.

Dieses Kanban-Prinzip mündet natürlich direkt in die beiden Kanban-Praktiken „Visualisiere!“ und „Miss & steuere den (Arbeits-)Fluss“.

Kanban-Prinzipien - Beginne dort, wo Du Dich im Moment befindest

Vereinbare, dass inkrementelle, evolutionäre Veränderung verfolgt wird

In diesem Kanban-Prinzip stecken beinahe in jedem einzelnen Wort wichtige Informationen darüber, wie Kanban funktioniert.

  • Erstens geht es darum, Vereinbarungen zu treffen. Kanban lebt also davon, dass gemeinsam und kollaborativ gearbeitet wird. Gleichzeitig bedeutet das natürlich auch, dass Ihr Euch selbst dazu verpflichtet. Insofern spiegelt dieses Prinzip damit das wieder, was in den Scrum Werten als Commitment bezeichnet wird.

  • Zweitens fokussiert dieses Prinzip auf inkrementelle Veränderung. Es ist also wichtig, dass jede Veränderung grundsätzlich „funktionsfähig“ ist.

  • Drittens soll die Veränderung evolutionär (statt revolutionär) sein. Es ist also ein wichtiges Prinzip in Kanban, dass Ihr in kleinen Schritten Verbesserung und Veränderung erzeugt statt immer „den einen großen Wurf“ zu landen.

  • Viertens geht es darum, Veränderung zu verfolgen. Damit wird noch einmal unterstrichen, dass Ihr die kleinen, inkrementellen Veränderungen mit hoher Eigenmotivation verfolgt und Euch nicht von potenziellen Herausforderungen und Problemen aufhalten lasst.

Ermutige dazu, Führung auf jeder Ebene der Organisation zu zeigen

Dieses Kanban-Prinzip verdeutlicht, dass eine agile Transformation von allen Beteiligten ausgehen muss und dass ein reiner Top-down-Ansatz keinen nachhaltigen Wandel erzeugen kann.

Es ist also wichtig, dass die Schaffung neuer Lösungen prinzipiell von jeder Stelle in Eurer Organisation ausgehen kann (und muss), wenn sie erfolgreich sein soll.

Verstehe die Bedürfnisse und Erwartungen der Kunden und fokussiere Dich auf diese

Mit diesem Prinzip unterstreicht Kaban noch einmal die notwendige Kundenorientierung. Damit konkretisiert Kanban natürlich auch noch einmal seine Nähe zu agilen Werten & Prinzipien.

  • Eine besonders hilfreiche Unterstützung bei der konkreten Umsetzung von Kundenorientierung ist die Jobs-to-Be-Done-Methode.

Manage die Arbeit, lass die Menschen sich selbst um die Arbeit herum organisieren

Mit diesem Prinzip stellt auch Kanban die Selbstorganisation agiler Teams in den Vordergrund.

Es geht also nicht darum, einem Kanban Team vorzuschreiben, wie es zu arbeiten hat. Stattdessen sollen sich alle vollkommen auf den Workflow konzentrieren.

Dabei ist und bleibt es die Aufgabe des Teams, die Verbesserung des Workflows durch eigene Maßnahmen selbst- bzw. eigenständig zu erreichen.

Selbstorganisation - Selbstmanagement - Autonomie

Entwickle das Netzwerk aus Services & dessen Regeln häufig weiter, um Ergebnisse zu verbessern

Das sechste und letzte Kanban-Prinzip legt Euer Augenmerk auf zwei unterschiedliche Aspekte. Zum einen geht es darum, immer auch einen Blick auf das (interne) Netzwerk von Abhängigkeiten zu werfen. Denn kein Team ist eine Insel, die für sich alleine existiert. Diese Abhängigkeiten solltet Ihr regelmäßig betrachten, bewerten und optimieren.

  • Eine einfache, jedoch gleichzeitig sehr hilfreiche Methode, um diese Abhängigkeiten sichtbar zu machen, ist beispielsweise die Team Dependency Spider.

Fazit zu den Kanban-Prinzipien

Ich hoffe, ich konnte Dir mit diesem Beitrag einen guten Einblick in die Kanban-Prinzipien und ihre Bedeutung für diese agile Methode geben. Solltest Du noch Fragen, Ideen, Anregungen oder Kritik zum Artikel haben, freue ich mich wie immer auf Dein Feedback hier unten in den Kommentaren.