5 7 Votes
Artikel-Rating

Die 6 Kanban-Praktiken sind elementar, um den Workflow Eures Teams kontinuierlich zu verbessern. Lasst Ihr eine (oder sogar mehrere) dieser Praktiken unbeachtet, werdet Ihr niemals den vollen Nutzen aus Kanban ziehen können. In diesem Grundlagen-Artikel stelle ich Dir alle sechs Praktiken vor und zeige Dir, wie sie in der Praxis umsetzt bzw. realisiert werden.

Kanban-Praktiken vs. Kanban-Prinzipien

Wenn über die 6 Kanban-Praktiken gesprochen (oder geschrieben) wird, passiert es relativ häufig, dass sie mit den Kanban-Prinzipien verwechselt werden. Manchmal wird sogar beides miteinander vermischt. Die Kanban-Prinzipien sind jedoch viel grundlegender als die Kanban-Praktiken und sind das Fundament aus denen sich Letztere sinnvoll ableiten bzw. erklären lassen.

  • Wenn Du Dich mit diesem Thema ausführlicher beschäftigen möchtest, findest Du dazu mehr Informationen in meinem Artikel Die 2×3 Kanban-Prinzipien.

Die Kanban-Praktiken im Überblick

Visualisiere!

Kanban ist eine visuelle Methode, die darauf basiert, sowohl die zu erledigende Arbeit selbst als auch den Arbeitsprozess (Workflow) optisch darzustellen. Diese wahrscheinlich wichtigste Kanban-Praktik sorgt dafür, dass ausreichend Transparenz über den aktuellen Stand der Arbeit herrscht und Probleme, Engpässe im Workflow usw. unmittelbar erkannt und behoben werden können.

Die gängigen Mittel, die Kanban nutzt, um diese Praktik zu realisieren, sind zum einen die Kanban-Karte und das bekannte Kanban Board. Ersteres macht Arbeit sichtbar, Letzteres visualisiert Euren Workflow und dessen aktuellen Zustand.

Begrenze die Menge paralleler Arbeit

Die zweite, elementare Kanban-Praktik ist die Begrenzung paralleler Arbeit. Was auf den ersten Blick kontraproduktiv klingt, ist in Wahrheit das beste Mittel, um die Fertigstellung von Aufgaben, ToDo’s und Features maßgeblich zu beschleunigen. (Die Wirkung dieser Begrenzung lässt sich sogar mit Hilfe von Little’s Law mathematisch beweisen.)

Verwirklicht wird diese Praktik durch das sogenannte Work In Progress Limit (kurz: WIP-Limit), das Deinem Team dabei hilft, den Workflow zu messen, zu steuern und kontinuierlich zu verbessen. Darüber hinaus erzeugt das WIP-Limit auch ein Pull-System, das dafür sorgt, dass nicht mehr Arbeit in den Workflow gelangt als dieser aktuell bewältigen kann. Erst dadurch werden Engpässe im Arbeitsprozess sichtbar, die ansonsten verdeckt blieben.

Miss & steuere den Workflow

Diese Praktik fokussiert sich auf das Hauptziel von Kanban: Den Workflow Deines Teams kontinuierlich zu verbessern. Gleichzeitig lenkt sie die Aufmerksamkeit aller auf den Workflow und die zu erledigende Arbeit und nicht auf die Menschen, die diese Arbeit erledigen.

Zur Umsetzung dieser Kanban-Praktik existieren die verschiedensten Metriken, Tools und Techniken.
0
Welche Tools & Techniken nutzt Dein Team aktuell, um diese Kanban-Praktik umzusetzen?x
Die vier wichtigsten Kanban-Metriken sind Cycle Time, Work In Progress, Throughput und Work Item Age.

Auch unter den Tools & Techniken findest Du eine reichhaltige Auswahl. Angefangen beim Cumulative Flow Diagram, dem bereits erwähnten WIP-Limit, Cycle Time Scatterplots bis hin zur POOGI-Methode aus der Theory of Constraints (Engpasstheorie).

Mache Regeln explizit

Mit dieser Kanban-Praktik soll erreicht werden, dass alle in Deinem Team das gleiche Verständnis von Eurem Workflow haben. Sie dient also dazu, den über das Kanban Board visualisierten Arbeits-Prozess so klar wie möglich zu gestalten. Dabei müssen die Regeln natürlich nicht immer in Worten formuliert sein, sondern können auch durch Farben, Symbole usw. erfolgen. (In Scrumban wird diese Kanban-Praktik übrigens durch die sogenannte Definition of Workflow ersetzt.)

Die Verbesserung und Optimierung des Workflows wird durch die Veränderung der existierenden Regeln erzielt. Das kann beispielsweise eine neue Bedingung sein, die erfüllt sein muss, damit ein Work Item eine spezielle Spalte auf dem Kanban Board „betreten darf“ oder sogar ein vollkommen neuer Arbeitsschritt bzw. Status auf Eurem Kanban Board.

Implementiere Feedbackzyklen

Genauso wie Scrum lebt auch Kanban von regelmäßigen Feedbackzyklen, um Verbesserungen zu erzeugen. Die empirische Prozesssteuerung durch Transparenz, Überprüfung und Anpassung findet also auch in Kanban statt.

Allerdings gibt Kanban hier keine festen Events vor wie beispielsweise Scrum. Daily Stand-ups und Retrospektiven gehören jedoch auch in Kanban zum Standardrepertoire. Auch eine Review ergibt durchaus Sinn, um Feedback zur erledigten Arbeit zu erhalten.

Verbessere gemeinsam & entwickle experimentell

Die sechste und letzte Kanban-Praktik besteht aus zwei verschiedenen Elementen.

Zum einen setzt Kanban darauf, Verbesserung kollaborativ zu erzeugen. Alle gemeinsam sollen dafür sorgen, dass sich Euer Workflow kontinuierlich verbessert. Diese Praktik legt also einen Fokus auf die Selbstorganisation Deines Kanban Teams. Gleichzeitig fordert sie dazu auf, Veränderungen, die nicht vom Team alleine erreicht werden können, gemeinsam mit allen anderen Beteiligten voranzubringen.

Zum anderen bringt diese Praktik noch einmal den empirischen Ansatz in Kanban zum Ausdruck. Denn ob eine Veränderung wirklich erfolgreich ist, wisst Ihr immer erst im Nachhinein. Und zwar immer dann, wenn sich eine entsprechende Metrik positiv verändert hat.

Anpassungen an Eurem Workflow sind deshalb immer erst Experimente, mit denen Ihr versucht, Eure Vermutung (Hypothese) zu bestätigen.

Darüber hinaus beinhaltet die sechste Kanban-Praktik noch Kleingedrucktes. Die vollständige Praktik lautet „Erziele Verbesserungen kooperativ & entwickle experimentell (unter Verwendung von Modellen und der wissenschaftlichen Methode).

Häufig genutzte Modelle in Kanban sind die oben bereits erwähnte POOGI-Methode aus der Engpasstheorie, Little’s Law als Grundlage für die Einführung eines WIP-Limits oder auch Techniken wie die Berechnung von Verzögerungskosten zur Priorisierung von Work Items oder ganzer Projekte.

Die Kanban-Praktiken in Scrumban

Der Kanban Guide für Scrum Teams spricht lediglich von vier statt der hier aufgeführten sechs Kanban-Praktiken. Das liegt zum einen eben daran, dass diese Teams Scrum praktizieren und zum anderen, dass eine Praktik „umgewandelt“ wurde.

Scrum Events verwirklichen Praktik 5

Scrum Teams, die Kanban einsetzen, führen weiterhin alle fünf Scrum Events durch. Das sorgt jedoch dafür, dass die fünfte Kanban-Praktik obsolet wird, weil bereits notwendige Feedbackzyklen implementiert sind.

Praktik 4 wird zur Definition of Workflow

Die Praktik „Mache Regeln explizit“ wird im Kanban Guide für Scrum Teams zur Definition of Workflow, die für jedes Scrumban Team verpflichtend ist. Darüber hinaus existiert natürlich auch die Definition of Done, die ebenfalls dazu dient, Regeln explizit zu machen.

Fazit zu den Kanban-Praktiken

Ich hoffe, ich konnte Dir einen guten Einblick in die Bedeutung und Funktionsweise jeder Kanban-Praktik geben und Dir für jede von ihnen Tipps & Ideen mit auf den Weg geben, wie Du sie gemeinsam mit Deinem Team in die Praxis umsetzen kannst. Falls Du noch Fragen, Ideen, Anregungen oder Kritik zu diesem Beitrag hast, freue ich mich wie immer über eine Rückmeldung von Dir in den Kommentaren!