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Das Cumulative Flow Diagram (kurz: CFD, dt. kumulatives Flussdiagramm) ist eines der am häufigsten genutzten Kanban Charts. Mit seiner Hilfe kannst Du viele Rückschlüsse über Euren Workflow ziehen und Verbesserungen daraus ableiten. In diesem Grundlagenartikel stelle ich Dir das Cumulative Flow Diagram ausführlich vor und zeige Dir anhand einiger Beispiele, wie Du es in der Praxis nutzen kannst.

Aufbau des Cumulative Flow Diagrams

Das Cumulative Flow Diagram ist ein einfaches Koordinatensystem, das Dir wertvolle Rückschlüsse über Euren aktuellen Workflow ermöglicht. Außerdem kannst Du daraus die verschiedensten Metriken ablesen kannst.

  • Die Y-Achse des CFD bildet die Anzahl der Work Items ab.
  • Die X-Achse zeit den zeitlichen Verlauf.

Im Grunde ist das CFD also zunächst nichts anderes als Burn-Up-Chart. Mit der Besonderheit, dass keine Aufwände abgebildet werden (wie bei einem Release Burn-Down-Chart), sondern lediglich die Anzahl der zu erledigenden Work Items.)

Außerdem siehst Du auf dem Cumulative Flow Diagram die unterschiedlichen Zustände der Work Items, in denen sie sich zu einem bestimmten Zeitpunkt befanden.

Wenn Du so möchtest, „verwandeln“ sich die einzelnen Spalten Eures Kanban Boards, mit dem Ihr Euren Workflow abbildet, auf dem Cumulative Flow Diagram in einzelne Layer bzw. Schichten, die dann aufeinandergelegt werden.

Aus dem hier abgeildeten CFD kannst Du beispielsweise ablesen, dass sich am 15.05.2022 insgesamt 7 Work Items im Zustand To Do befanden, 6 Work Items im Zustand Doing und 11 Work Items im Zustand Done.

Ankunftsrate & Througput

Zweitens kannst Du auf dem Cumulative Flow Diagram auch sehr leicht die (durchschnittliche) Ankunftsrate und den (durchschnittlichen) Throughput erkennen.

  • Die Ankunftsrate zeigt Dir, wie schnell neue Aufgaben in Deinen Work In Progress gelangen.

  • Der Throughput hingegen visualisiert, wie schnell diese Arbeit Deinen Work In Progress wieder verlässt.

Der optimale Workflow ist dann erreicht, wenn Ankunftsrate und Throughput zueinander parallel verlaufen.

Beispiel-Workflow

In der Regel wird Euer Workflow natürlich aus mehr als den drei Basiszuständen To Do, Doing & Done bestehen.

Als Beispiel lege ich für den weiteren Verlauf dieses Artikels daher den Workflow eines Scrum Teams zugrunde, das diesen folgendermaßen definiert hat:

  • To Do: New, Refined, Planned

  • Doing: Active, Test, In Review

  • Done: Completed

Die Besonderheit an diesem Workflow ist, dass der Arbeitsschritt Planned zwar bereits zum Sprint Backlog dieses Teams gehört, jedoch noch keinen aktiven Work-In-Progress (Doing) darstellt.

Beispiel-Workflow auf dem CFD

Übertragen wir diesen Beispiel-Workflow auf ein Cumulative Flow Diagram und legen einen (fiktiven) zeitlichen Verlauf zu Grunde, könnte das Ergebnis folgendermaßen aussehen:

Metriken im Cumulative Flow Diagram

Neben der oben bereits erwähnten Ankunftsrate und dem Throughput, kannst Du noch weitere Metriken und Informationen aus dem Cumulative Flow Diagram ablesen. Das gilt vor allem für die Metriken Work In Progress, sowie Lead Time bzw. Cycle Time.

Work In Progress, Lead Time & Cycle Time

  • Der Work In Progress ist auf dem CFD eine senkrechte Linie, welche die Layer Active, Test & In Review umfasst.

  • Die (durchschnittliche) Cycle Time beginnt an einem Zeitpunkt der Linie Active und verläuft dann horizontal weiter bis sie auf die Linie Completed stößt.
  • Die (durchschnittliche) Lead Time beginnt bereits bei der Linie New und verläuft dann ebenfalls horizontal bis auch sie die Linie Completed erreicht.

Wenn Du die Cycle Time mit Hilfe des Cumulative Flow Diagrams ermittelts, musst Du im Hinterkopf behalten, dass es sich hierbei um die ungefähre (durchschnittliche) Cycle Time handelt. Willst Du hingegen die exakte (durchschnittliche) Cycle Time für einen bestimmten Zeitraum ermitteln, musst Du das Cycle Time Scatterplot verwenden.

Probleme mit Hilfe des CFD erkennen

Nachdem Du nun weißt, wie ein Cumulative Flow Diagram grundsätzlich aufgebaut ist und was Du alles daraus ablesen kannst, möchte ich Dir nun ein paar Beispiele zeigen, wie Du bestimmte Probleme im Workflow Deines Teams damit erkennen kannst.
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Kennst Du noch andere Phänomene auf dem CFD, die ich hier noch ergänzen sollte?x

Halte Rücksprache mit Deinem Team!

Bei der Analyse Eures CDF solltest Du immer sicherstellen, dass die Status und Work Items auch kontinuierlich und gut (vom Team) gepflegt wurden.

Falls Work Items (stark) verspätet oder gar nicht aktualisiert oder einige davon sogar gar nicht erfasst wurden (obwohl daran gearbeitet wurde), dann bringt Dir die Analyse Eures CFD: überhaupt nichts. Solltest Du also Euren Workflow mit Hilfe eines Cumulative Flow Diagrams analysieren, solltest Du Deine Rückschlüsse und Erkenntnisse immer mit Deinem Team besprechen und überprüfen, ob Deine Vermutungen zu den Ursachen wirklich korrekt sind.

Probleme beim Zufluss

Hier rechts siehst Du Beispiele für Workflows, in die zu schnell bzw. zu langsam neue Arbeit hineinfließt.

In diesem Fall ist also die Ankunftsrate größer bzw. kleiner als der Throughput.

Auf dem Cumulative Flow Diagram erkennst Du das daran, dass die der Layer New immer breiter bzw. immer dünner wird.

Grundsätzlich gilt, dass es immer problematisch ist, wenn ein (oder sogar mehrere) Layer Eures CFD kontinuierlich breiter bzw. dünner werden.

Cumulative Flow Diagram - zu schneller ZuflussCumulative Flow Diagram - zu langsamer Zufluss

Ein stets breiter werdender Layer Refined kann zum Beispiel darauf hindeuten, dass Dein Team mehr Work Items bespricht als es tatsächlich abarbeiten kann.

Treppenstufen

Häufig kannst Du auf einem Cumulative Flow Diagram Treppen entdecken. Das muss allerdings nicht immer zwangsläufig schlecht sein. Es kann auch ein Hinweis darauf sein, dass zum Beispiel Reviews von fertigen Work Items nur zu bestimmten Terminen stattfinden. Oder ein fester Release-Zyklus existiert.

Bei Scrum Teams kann es aber auch ein Indiz dafür sein, dass User Stories zum Sprintende „noch schnell fertiggezimmert“ werden. Oder dass zu viele Work Items von einzelnen Entwicklern parallel bearbeitet werden statt weniger Themen gemeinsam (und nacheinander) abzuarbeiten.

Plateaus

Gelegentlich kommt es auch zu Plateaus, in denen sich kein einziger Workflow-Status verändert.

Die häufigste Ursache hierfür sind natürlich Betriebsferien.

Es kann aber auch sein, dass etwas wirklich Schlimmes passiert ist. Falls also das gesamte Team, zu dem dieses CFD gehört, nicht im Urlaub ist, solltest Du umgehend in Erfahrung bringen, worin die Ursachen für das von Dir entdeckte Plateau liegen.

Welche genau das sind, verrät Dir natürlich Dein Team und nicht das CFD.

Bäuche

Auch dieses Phänomen auf einem CFD muss nicht zwangsläufig immer ein Problem darstellen. Zunächst einmal zeigt es, dass ein bestimmter Arbeitsschritt plötzlich eine dramatische Erhöhung erfährt und danach wieder abflacht.

Wichtig ist unter anderem, welcher Workflow-Status dieses Phänomen zeigt. Ist es beispielsweise der Status Planned und arbeitet Dein Team nach Scrum, dann zeigt ein solcher Bauch lediglich, dass Dein Team ein Sprint Planning durchgeführt hat und alle dazugehörigen Work Items in die entsprechende Spalte Eures Sprint Backlogs gezogen hat.

Wenn Dein Team dann zum Sprintende alle Work Items erledigt hat, verschwindet dieser Layer. (Um dann einen Tag später wieder sprunghaft anzusteigen.)

Ist es hingegen der Work-Item-Status Active, der das Bauch-Phänomen zeigt, können die zu sehenden Bäuche im Layer des Cumulative Flow Diagrams durchaus ein Problem sein. Es ist also wichtig, dass Du berücksichtigst, wie Dein Team arbeitet, um beurteilen zu können, ob Bäuche im CFD ein Problem sichtbar machen oder nicht.

Der perfekte Workflow

Wenn Ihr bereits länger mit Kanban arbeitet und Euren Workflow unter anderem mit Hilfe des CFD verbessert habt, kann es sein, dass Ihr auf diesem Chart den „perfekten“ Workflow seht. Ankunftsrate und Throughput verlaufen kontinuierlich parallel und die Layer zeigen keinerlei seltsame Symptome.

In diesem Fall geht die Arbeit für Euch erst richtig los.

Senkt das WIP-Limit

Um Euren Workflow weiter zu verbessern, könnt Ihr beispielsweise das Work In Progress Limit für bestimmte Arbeitsschritte senken, um Euren Throughput bzw. die Cycle Time Eures Teams weiter zu verbessern. Unter Umständen kann es dabei passieren, dass einige Layer auf dem Cumulative Flow Diagram plötzlich die oben vorgestellten Phänomene zeigen, die vorher „unsichtbar“ waren. (Weil das WIP-Limit zu hoch war, um das Problem sichtbar zu machen.)

Fazit zum Cumulative Flow Diagram

Ich hoffe, ich konnte Dir mit diesem Grundlagenartikel den Nutzen und die Vorteile des CFD ein wenig näher bringen. Und Dir vor allem dabei helfen, potenzielle Probleme in Eurem Workflow besser zu erkennen. Solltest Du noch Fragen, Ideen, Anregungen oder auch Kritik zu diesem Beitrag haben, freue ich mich natürlich wie immer über Dein Feedback in den Kommentaren.